Mülheim.
Die Stadt erlebt derzeit eine kleine Inflation an Wählerbündnissen, die zur kommenden Kommunalwahl im Mai antreten möchten: WIR bleibt im Rennen – ein Bündnis, in dem Bürger „die Politik selbst in die Hand nehmen wollen“. Die Mülheimer Bürgerinitiativen machen weiter, bis, wie sie sagen, die Stadtpolitik sich an den Bedürfnissen der Menschen ausrichtet. Neu hinzu kommen das „Bündnis für Bürger“, das „Bündnis für Bildung interkulturell, sozial, fair“ und ein Wählerbündnis um Sabine Schweizerhof, das noch keinen Namen hat.
Ein Wirrwarr? „Ja, diese Zersplitterung ist schade. Es wäre besser, wir würden gemeinsam an einem Strang ziehen“, sagt selbst Achim Fänger, derzeit noch Ratsmitglied bei WIR-Linke, aber nun Sprecher beim Bündnis für Bürger, das sich für bessere Bildung, für einen guten Nahverkehr, für mehr soziale Gerechtigkeit in Mülheim einsetzen möchte. Für den Wähler, so Fänger, werde es nicht leicht, die Bündnisse zu durchschauen.
Streit um Satzungen, Uneinigkeit über Verfahrensfragen
So ganz grün ist man sich auch in den Bündnissen nicht, so spaltete sich recht schnell das ursprüngliche Bündnis für Bildung vom Bündnis für Bürger wieder ab. Streit um Satzungen, Uneinigkeit über Verfahrensfragen, sogar persönliches Mobbing soll es gegeben haben, dabei sind sie alle für den Erhalt und Ausbau eines guten Bildungsangebotes, gerade in sozial benachteiligten Stadtteilen.
Die Abteilung Bündnis für Bildung wechselte zur interkulturellen Bürgerliste, auch ein Neuling auf dem Mülheimer Polit-Markt. Gemeinsam entstand das „Bündnis für Bildung interkulturell, sozial, fair“. Einer der Sprecher ist Friedel Lemke. Vor vier Jahren ging er als OB-Kandidat für die Mülheimer Bürgerinitiativen ins Rennen, trat dort inzwischen aus und ist derzeit fraktionsloser Ratsherr.
Was will dieses Bündnis? „Wir wollen alle Menschen, die in Mülheim leben, egal welcher Nation, daran beteiligen, die Stadt zu entwickeln“, sagt Lemke. Das Wir stehe im Vordergrund, nicht das Gegen. Soziale Fragen hebt auch er hervor, ebenso wie Bildung. Doch warum braucht die Stadt neue Bündnisse, wenn sich auch die etablierten Parteien „sozial, fair, tolerant“, erst recht Bildung auf ihre Fahnen schreiben? „Sie handeln aber nicht danach, leben in festgefahrenen Strukturen.“ Lemke beklagt große Defizite in der Bildungspolitik, wo die soziale Herkunft über Erfolg und Misserfolg entscheide. Die Unzufriedenheit mit der etablierten Politik, glaubt Lemke, spiegele sich aktuell auch in der Nahverkehrsplanung wider.
Eine gesellschaftliche Entwicklung
Immer mehr Bürgerbündnisse – „dahinter verbirgt sich eine gesellschaftliche Entwicklung, die nicht nur die Parteien zu spüren bekommen“, glaubt Constantin Körner, stellvertretender Unterbezirksvorsitzender der SPD: Der Zeitgeist gehe weg von großen Gruppierungen, hin zu kleinen Einheiten. Gut für Politik sei das nicht. „Wir brauchen zwar eine lebendige Demokratie, aber sie muss auch arbeitsfähig bleiben.“ Für Körner steckt hinter den Bündnissen oft auch eine „Mit dem Kopf durch die Wand-Mentalität“. Demokratie brauche immer Kompromissfähigkeit.
Die Mülheimer Bürgerinitiativen halten die weitere politische Aufsplitterung für den „Ausdruck einer schwerwiegenden Demokratiekrise“ in der Stadt, in der sich die ungelösten Probleme häuften. Die CDU gibt sich gelassen: „Hier zerlegt sich im Grunde nur das linke Lager.“ Die Forderung der CDU lautet: „Wir brauchen in der Politik mehr Menschen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen – und weniger meckern.“