Mülheim. Am Mittwoch soll der Stadtrat in der Millionen-Frage entscheiden, ob Mülheim auf umfassenden Schadenersatz für seine fortlaufende Pleite mit Wetten auf Währungen und Zinsen klagt. Auf transparenter Grundlage wird die Politik nicht entscheiden können.

Am Mittwoch soll der Stadtrat in der Millionen-Frage entscheiden, ob Mülheim auf umfassenden Schadenersatz für seine fortlaufende Pleite mit Wetten auf Währungen und Zinsen klagt. Dabei sorgt nicht nur für Unruhe, dass das Rechtsamt bereits 2008 „ein erhebliches Mitverschulden“ von Ex-Kämmerer Gerd Bultmann und leitenden Beamten des Finanzmanagements für die Millionen-Pleite festgestellt, aber nicht öffentlich gemacht hatte (wir berichteten nach unserer Akteneinsicht). Auch bleibt einen Tag vor der weitreichenden Entscheidung unklar, ob die Wettverluste tatsächlich nicht höher sind als von der Stadt bislang öffentlich eingeräumt.

Bereits vor gut einem Jahr hatte die WAZ beim aktuellen Kämmerer Uwe Bonan nachgefragt, was genau sich hinter sogenannten Festzinszahlerswaps bzw. synthetischen Festzinskrediten verbirgt, die die Stadt mit der West LB stets zu Zeitpunkten vertraglich vereinbart hat, wenn verlustbringende Wetten umzustrukturieren waren. Noch einmal hatte die WAZ Anfang Oktober dieses Jahres um Aufklärung gebeten, bis heute steht sie aus. Bonan hatte zum Thema zwar ein Gespräch für vergangenen Donnerstag zugesagt, musste aber krankheitsbedingt passen und wird auch bei den Ratssitzungen am Mittwoch (Zinswetten) und Donnerstag (Etat 2014) fehlen.

Hat die Stadt versucht, Verluste aus vorhergehenden Wetten auszugleichen?

Festzinszahlerswaps. Bei diesen Geschäften zahlt der Wettende gegenüber einer Bank auf einen kreditbezogenen Basiswert zusätzlich zum Kreditzins einen festen Zins und erhält im Gegenzug von der Bank einen variablen Zins. Hat Mülheim diese Geschäfte getätigt, um aus verlustreich laufenden Wetten herauszukommen?

Wettverluste fast bei 11 Mio. Euro

Hatte die Stadt bis Ende 2012 einen Verlust von 9,844 Mio. Euro für ihre Wettgeschäfte ausgewiesen, so wird in diesem Jahr nochmals eine Millionensumme hinzukommen, da aktuell zwei verlustreiche Wetten noch laufen.

Allein zwischen Januar und Ende September hat die Stadt erneut 1,1 Mio. Euro verwettet. Das geht aus einem wieder einmal nicht-öffentlichen Bericht der Kämmerei hervor, der der WAZ vorliegt.

In dem Papier berichtet Kämmerer Uwe Bonan auch davon, dass die Stadt bereits ab Juli keine Wettschulden mehr bei der West LB-Abwicklungsanstalt auslöst, die aus der Wette auf den Wert des Schweizer Franken entstanden sind. Hier klagt die Stadt bereits auf Schadenersatz. Seit Oktober begleicht die Stadt auch keine Schulden mehr aus der anderen laufenden Wette. Im Gegenzug bildet sie Rücklagen für den Fall einer Niederlage vor Gericht.

Es verdichten sich aus Sicht der WAZ Hinweise darauf, dass die Stadt mit jenen Festzinszahler­swaps bzw. synthetischen Festzinskrediten Verluste aus vorhergehenden Wetten ausgeglichen hat, diese Verluste nun aber nicht mit einer Klage geltend gemacht werden sollen und auch nicht in den bisherigen Bilanzen zur unheilvollen Wetterei berücksichtigt sind.

Finanzausschuss hätte drüber stolpern müssen

Spätestens in der November-Sitzung des Finanzausschusses hätte auch die Politik über jene Swaps stolpern können, tat es aber nicht. In einer zweiseitigen Aufstellung aller getätigten Wettgeschäfte tauchen die ominösen Geschäfte an zwei Stellen auf. Beide Male heißt es, dass Zahlungen im Zusammenhang mit fünf solchen Swapgeschäften „wohl nicht als Schaden anzusehen“ seien, „da sie ohnehin angefallen wären“.

Nähere Erläuterungen? Fehlanzeige. Ebenso fehlt bis heute eine Aussage dazu, wie viel Geld für diese fünf Swapgeschäfte überhaupt an die West LB geflossen ist.

Es bleibt dabei: Der Stadtrat wird am Mittwoch eine Entscheidung auf intransparenter Basis treffen. Länger warten kann er nicht mit der Entscheidung. Schon Anfang 2014 laufen die ersten Verjährungsfristen ab.