Mülheim. In Berlin diskutiert man über die Doppelte Staatsbürgerschaft. Das Optionsmodell, bei dem man sich mit 23 Jahren für eine Nation entscheiden muss, soll wegfallen. Vor Ort fände eine Neuregelung Unterstützung.
„Enthusiastisch bin ich nicht.“ Zu oft hat Enver Sen gehört, dass das Staatsbürgerschaftsrecht geändert werden sollte. „Bei der letzten Großen Koalition stand eine Änderung in der Vereinbarung. Am Ende ist sie vergessen worden.“ Freilich, dass er eine solche Entwicklung begrüßen würde, ist für den Vorsitzenden des Integrationsrates klar. Und vielleicht ist nun doch alles anders. Denn ein Vorstoß zur Änderung des bisherigen Rechtsstatus ging ausgerechnet vom CSU-Vorsitzenden Seehofer aus.
Bisher gilt das sogenannte Optionsmodell: Es wird bei Kindern angewandt, deren Eltern beide nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Die Kinder erhalten aber, wenn sie in der Bundesrepublik geboren werden, zunächst auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Wenn sie volljährig sind, spätestens aber mit 23, müssen sie sich dann für eine der Nationalitäten entscheiden. In Mülheim leben zurzeit 2299 Personen unter 23 Jahren mit der doppelten Staatsbürgerschaft.
Ein Schritt in die richtige Richtung
Wenn es nach Seehofers Vorschlag geht, sollen sie sich künftig nicht mehr dieser „inneren Zerreißprobe“ aussetzen. Stattdessen solle die Staatsbürgerschaft des Landes, wo momentan nicht der Lebensmittelpunkt sei, einfach ruhen. Für Enver Sen ein Schritt in die richtige Richtung. „Diejenigen, die glauben, mit der doppelten Staatsbürgerschaft seien Privilegien verbunden, die liegen falsch.“ In der Türkei etwa bekomme man als Doppelstaatler besondere Papiere, so dass man bei Ämterbesuchen dort eher misstrauisch behandelt werde. Aus seiner Arbeit im Integrationsrat weiß Sen: „Schon jetzt ist es so, dass auch diejenigen, die zwei Pässe haben, faktisch nur einen Pass nutzen.“ Der Aufwand, den Zweitpass – bei den meisten Doppelstaatlern der türkische – , regelmäßig erneuern zu lassen, sei viel zu aufwendig. „Die Leute geben ihn nur aus symbolischen Gründen nicht ab.“
Sen hat nun Hoffnung, dass nun das Problem pragmatischer angegangen würde. Für ihn heißt: Einen Sinn für das wirtschaftliche Potenzial zu entwickeln, das man bisher verschenkt habe: „Wir brauchen junge Fachkräfte.“ Warum sollte man also junge Menschen mutwillig vergraulen, fragt er. Zumal bei der großen Mehrzahl der Doppelstaatler die Verbundenheit zu Deutschland nicht infrage stünde: „Nicht ohne Grund hat sich die große Mehrheit bei der Option bisher für Deutschland entschieden.“ Die emotionale Bindung zu Deutschland falle aber noch leichter, wenn sie nicht unter Zwang erfolge, die Betroffenen also vorher nicht dieser Zerreißprobe ausgesetzt würden.