Düsseldorf. . Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) wirft dem Bundesinnenminister vor, er nutze die Chancen nicht, die die Islam-Konferenz bietet. Friedrich habe Vertrauen verspielt. Und behindere mit seinem Nein zur doppelten Staatsbürgerschaft die Integration.

NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) kritisiert vor der Islam-Konferenz am Montag das Nein von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zur generellen Möglichkeit einer doppelten Staatsbürgerschaft. Die Mehrstaatigkeit sei weder gefährlich noch integrationshemmend, glaubt Schneider.

Jeder zweite Deutsche empfindet den Islam laut Bertelsmann-Stiftung als Bedrohung. Die Islam-Konferenz will weitere Polarisierung verhindern. Was schlagen Sie vor?

Guntram Schneider: Wenn man immer nur die Minderheit der Extremisten thematisiert, darf man sich nicht wundern, wenn Menschen den Islam als bedrohlich empfinden. Das öffentliche Bild vom Islam steht im deutlichen Gegensatz zur Normalität des Zusammenlebens der Menschen.

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Es wäre wichtig, dass die Konferenz zu einem realistischen und differenzierten Bild des Islams in Deutschland beiträgt. Mit den Ministern Schäuble und Friedrich war die deutsche Islam-Konferenz auf einem guten Weg. Durch undifferenzierte Aussagen, eine schlampige Öffentlichkeitskampagne zur Islamismus-Prävention und fehlende Sensibilität im Umgang mit der Trauer um die Opfer der NSU-Morde hat Minister Friedrich viel Vertrauensvorschuss verspielt und Chancen der Islam-Konferenz nicht genutzt.

CDU-Innenexperte Bosbach fordert, dass die Politik die Sorgen der Bürger vor dem Islam ernst nehmen müsse. Müssen sich die muslimischen Verbände mehr öffnen?

Schneider: Man muss die Sorgen der Bürger vor islamistischem Extremismus in jedem Falle ernst nehmen. Das geschieht auch. Man muss aber auch die Sorgen der Bürger muslimischen Glaubens vor Diskriminierungen ernst nehmen. Beide Seiten könnten noch mehr aufeinander zugehen. Die Verbände haben wichtige Schritte zur Öffnung vollzogen. Es ist nicht beim Tag der offenen Moschee geblieben. Immer mehr Moscheegemeinden verstärken die Zusammenarbeit vor Ort und laden Nachbarn ein, das Gemeindeleben kennen zu lernen. Dieser Weg sollte weiter beschritten werden. Er sollte aber auch von Nichtmuslimen angenommen werden.

Es gibt nicht „das Frauenbild des Islam“

Wie bewerten Sie das Frauenbild im Islam? Passt es in eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaft?

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Schneider: Es gibt Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen in Ländern, die islamisch geprägt sind. Es gibt aber nicht das Frauenbild des Islam. Unterdrückung und Benachteiligung von Frauen gehören nicht in eine demokratische Gesellschaft. Ohne wenn und aber.

Fast jeder fünfte Muslim in Deutschland sieht keine Vereinbarkeit zwischen der eigenen Religion und der deutschen Gesellschaft. Was läuft falsch?

Schneider: Ich kenne diesen Befund so nicht. Wenn sich die Aussage darauf bezieht, dass Muslimen in der Gesellschaft mit Vorurteilen begegnet wird, ist sie richtig. Wenn sie sich darauf bezieht, dass es noch zu wenige Grabfelder für islamische Bestattungen gibt, ist sie auch richtig. Wenn sie aber pauschal gemeint ist, dann wird sie durch die Wirklichkeit widerlegt. Von den muslimischen Verbänden wird betont, dass sie die Verfassung und Rechtsordnung Deutschlands nicht nur respektieren, sondern wegen der dort verankerten Religionsfreiheit sehr wertschätzen.

Für EU-Bürger ist Mehrstaatigkeit Standard

Bundesinnenminister Friedrich steht in der Kritik von SPD und Grünen. Was werfen Sie dem Minister konkret vor?

Schneider: Nehmen wir die Staatsangehörigkeit: Herr Friedrich hat zum wiederholten Male gesagt, er bleibe bei seinem strikten Nein zum Doppelpass.

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Er nimmt die Fakten offenbar nicht zur Kenntnis: Bei jeder zweiten Einbürgerung wird heute bereits der Doppelpass akzeptiert. EU-Bürger haben sogar einen Rechtsanspruch darauf. Diese Realität leugnet Friedrich. Er tut so, als sei Mehrstaatigkeit eine Ausnahme, gefährlich oder gar integrationshemmend. Das ist alles Unsinn. Wir wollen und brauchen mehr Einbürgerungen. Das Festhalten an einer einzigen Staatsbürgerschaft hält viele Menschen davon ab, Deutsche zu werden, auch wenn sie es gerne würden.

Wie könnte ein modernes Einbürgerungsrecht aussehen?

Schneider: Die Einbürgerung ist Teil einer gelebten Willkommenskultur. Dazu gehört die doppelte Staatsangehörigkeit, die ja internationaler Standard ist. Ganz wichtig ist die Abschaffung der Optionspflicht, die junge Menschen zwingt, sich für den deutschen oder den Pass ihrer Eltern zu entscheiden. Da bin ich einig mit vielen Kommunen, denn die Optionspflicht verursacht enorme Verwaltungskosten. Sie muss allein schon deswegen dringend weg.