Mülheim. Hauseigentümer, die zur Renovierung ihrer Fassade ein Baugerüst aufstellen, müssen eine Sondernutzungsgebühr bezahlen. Bei städtischen Großbaustellen fällt diese jedoch häufig weg. Die Stadt Mülheim sieht die Gebühr bei Privatleuten als Druckmittel zur schnelleren Fertigstellung der Arbeiten.
Gastronomen, die Tische nach draußen stellen, Händler, die auf der Fußgängerzone ihre Ware präsentieren und Unternehmer, die ihre Produkte auf großen Tafeln bewerben – alle müssen sie für die Benutzung des Straßenraums eine Gebühr an die Stadt bezahlen. Alles weitere regelt die Sondernutzungssatzung, die in den vergangenen zehn Jahren mehrfach verändert wurde.
Dass Unternehmer für diese zusätzliche Nutzung eine Gebühr bezahlen sollen, ist auch nachvollziehbar, denn diese Nutzung mehrt ihren Umsatz - zumindest theoretisch. In der Satzung findet sich auch ein Passus, der die Gebühren beim Aufstellen von Gerüsten, Baumaterial und Containern regelt. Hier ist jedoch ein direkter Nutzen nicht direkt zu erkennen. Im Gegenteil. Verdient die Stadt etwa an jeder Baustelle?
Muss etwa das Land für den Bau der Hochschule an Duisburger Straße eine Gebühr bezahlen, die bei Sätzen von mehreren Euro pro Quadratmetern und Monat bei der geplanten zweijährigen Bauzeit die Kasse des Kämmerers hübsch klingeln lassen könnte? Peter Roedel vom Ordnungsamt lacht am anderen Ende der Leitung und man kann sich vorstellen, wie er energisch den Kopf schüttelt. „Das ist eine Großbaustelle, wo derzeit vor allem Versorger Leitungen legen“, erklärt er. Würde man hier auch noch Gebühren erheben, würde der Amtsschimmel tatsächlich wiehern. Denn letztlich wäre es nichts anderes als Geldverschiebung, linke Tasche, rechte Tasche.
Ordnungsamt rückt zur Kontrolle aus
Außerdem sind Versorgungsleitungen Bestandteil der Straße, ihre Erneuerung demnach eine normale Nutzung. Unter Paragraph 15 der Satzung heißt es zudem, dass „Behörden zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben“ von den Gebühren befreit sind. Also Sonderbedingungen für die besondere Nutzung. Und Baufeld 2 an der Ruhrpromenade? Hier wäre es möglich, aber dann müsste die städtische Projektentwicklungsgesellschaft ans Ordnungsamt zahlen. Ein Nullsummenspiel. Deshalb sehe er davon ab, sagt Roedel.
Die Stadt hat also durchaus private Hausrenovierer im Blick. Zwei Mal muss das Ordnungsamt dafür zu Kontrollen raus. Ob sich das lohnt? In jedem Fall sagt Roedel, der Außendienstmitarbeiter geht ja nicht nur zu einer Baustelle. Er kontrolliert, ob das Gerüst steht, misst nach und überprüft später, ob es abgebaut ist. Die Kontrollen seien selbst dann nötig, wenn keine Gebühr erhoben würde, schon allein wegen einer möglichen Verkehrsgefährdung und denkbarer Beschwerden von Nachbarn oder Passanten.
Gebühr als Druckmittel
Die Gebühr sieht Roedel vor allem als Druckmittel, dass die Bauherren möglichst schnell arbeiten und der Container beispielsweise nicht unnötig lang am Straßenrand stehen bleibt und andere behindert. Bei Werbeanhängern, die in anderen Städten knappen Parkraum versperren, habe man durch die Satzung ein gutes Instrument. 25 Euro kostet das pro Tag, deshalb gebe es sie inzwischen so gut wie gar nicht mehr.
Roedel berechnet ein fiktives Beispiel. Angenommen, die Fläche für das Gerüst, Lagerfläche und Materialaufzug beträgt 60 Quadratmeter; bei einem Gebührensatz von 4,20 in der günstigsten Zone macht das 252 Euro, zuzüglich 31 Euro Bearbeitungsgebühr, also: 283 Euro. In der Innenstadt, der teuersten der drei Zonen, liegt der Satz allerdings bei 7,70 Euro, das macht zusammen 491 Euro pro Monat. Und manche Gerüste stehen Monate lang, weil das Wetter schlecht ist, die Firma Probleme hat oder aus welchem Grund auch immer. Er ist überzeugt davon, dass die Gebühr bei der Gesamtsumme der Renovierungskosten keine große Rolle spielt.
Ob man Eigentümer, die durch ihre Investition das Stadtbild fördern, durch die Gebühr bestrafen müsse, sei eine neue, durch einen aktuellen Fall angestoßene Frage. Die Grünen haben ihn aufgegriffen, das System in Frage gestellt. Jetzt prüft das Amt.
Eine spitzfindige Rechnung
Renate Hagemann, Eigentümerin eines Hauses an der Friedrichstraße, Ecke Delle, hat den Stein ins Rollen gebracht. Sie rechnet sich die benutzte Fläche klein. Da der Gehweg noch zu benutzen ist, will sie nur die 35 Stützen des Gerüstes berücksichtigen, die jeweils 24 mal 27 Zentimeter groß sind: macht zusammen knapp drei Quadratmeter, also 23 Euro. Darauf möchte sich Roedel nicht einlassen. „Der Luftraum zählt auch“, betont er. Hagemann ärgert sich, dass sie für den Zeitraum der Renovierung auch noch Straßenreinigungsgebühr zahlt, obwohl die Leistung nicht erbracht wird. Das seien 175 Euro, die sie nicht zahlen wolle. Ob sie muss, kann Roedel nicht sagen. Das sei Sache des Umweltamtes.
350.000 Euro sind im Etat für Sondernutzungen vorgesehen - ganz überwiegend durch Gastronomie und Handel. Auch in anderen Kommunen wird das Aufstellen von Gerüsten mit einer Gebühr mit vergleichbaren Sätzen belegt. In der Innenstadt kostet der Quadratmeter 7,70 Euro pro Monat. In den vergangenen zehn Jahren, so Peter Roedel vom Ordnungsamt, habe sich noch niemand beschwert.