Mülheim. Auch EU-Zuwanderer aus Südosteuropa sollen Anspruch auf Hartz IV haben. Genaue Zahlen hat die Stadt noch nicht, aber die Sozialausgaben werden steigen.
Die Zahlen sind unbekannt. Noch nicht mal eine Prognose will man im Sozialamt abgeben. Er habe keine Vorstellung davon, wie viele EU-Bürger in der Stadt leben, die unter Umständen demnächst Anspruch auf Hartz IV-Leistungen haben, betont der Leiter des Sozialamtes, Klaus Konietzka. Der Hintergrund der Frage: Vor wenigen Tagen hat das Landessozialgericht das Urteil gefällt, dass EU-Zuwanderer auch jetzt schon Anspruch auf Zuwendungen haben. Es betrifft vor allem Menschen aus Südosteuropa, die aus neuen Beitrittsländern der EU stammen wie etwa Bulgarien oder Rumänien. Schon jetzt haben einige Kommunen angekündigt, sich für eine Revision des Urteils einzusetzen - Dortmund, Duisburg und Gelsenkirchen zum Beispiel.
Kein Wunder, schließlich stellen die Sozialausgaben einen großen Posten im städtischen Haushalt dar. Darauf hatte auch Kämmerer Uwe Bonan erst kürzlich wieder hingewiesen: Rund 32 Millionen Euro etwa beträgt der Anteil, den die Stadt jährlich im Rahmen von Hartz IV zahlt. Ein Betrag der stetig angestiegen ist - 55 Prozent mehr als vor fünf Jahren - und der, so die Prognose, weiter steigen wird. Und jetzt soll noch der Bezieherkreis geändert werden?
Noch keine Prognose wagen
Allerdings ist das Problem nicht neu. Denn es steht schon lange fest, dass ab 2014 sowieso eine neue Regelung in Kraft treten wird – auch wenn es man andere Termine gab. Der Fakt müsste der Stadt also schon länger klar sein. Um so verwunderlicher ist, dass man seitens der Stadtverwaltung bisher noch nicht geprüft hat, wie groß die Zahl derer ist, die Ansprüche haben könnten. Denn es steht schon lange fest, dass ab 2014 die Arbeitnehmerfreizügigkeit gilt und damit eben auch EU-Zuwanderer aus Südosteuropa Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch 2 - als Hartz IV - beantragen können. Im Sozialamt will man noch keine Prognose wagen, in einer Woche will man Zahlen präsentieren.
Für die Betroffenen selbst, also Menschen aus Rumänien,etwa, die hier leben und schon lange Zeit keine Arbeit haben - führt das Urteil zu einer erheblichen Verbesserung ihrer Lebensqualität. „Das ist positiv“, meint Werner Helmich vom örtlichen Flüchtlingsrat. Er hat dabei Roma-Familien im Sinn, die nach Deutschland zugewandert sind. Bisher bekamen sie, wenn sie EU-Bürger waren, überhaupt nichts. Schließlich fallen sie dann nicht unter den Flüchtlingsstatus. Faktisch sind sie es aber, so die Erfahrung von Helmich. „In Rumänien werden die Roma oft so stark diskriminiert, dass sie dort einfach überhaupt keine Perspektive für sich und ihre Familien sehen. Das ist auch schon lange so. Jetzt haben sie die Möglichkeit, nach Deutschland zu kommen. Ich kann sehr gut verstehen, dass sie es auch tun.“
Dass man ihren Status dem aller anderen EU-Bürger anpasst, ist für Helmich nur konsequent: „Sonst hätte man eben diese Länder nicht aufnehmen dürfen.“ Besonders wichtig findet er, dass auch die Arbeitsbeschränkungen für diese Personen wegfallen, die im Moment noch gelten. Doch mit Beginn des neuen Jahres wird auch dieser Punkt sich ändern. Dann werden Kroaten, Rumänen und Bulgaren ohne separate Genehmigung hier arbeiten können wie alle anderen EU-Ausländer auch. Keine unwichtige Parallelentwicklung. Denn die Möglichkeit selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen zu können, ist vielleicht die beste Vorbeugung dagegen, Hartz IV beziehen zu müssen.