Mülheim. Wilhelm Knabe, Gründungsmitglied der Grünen, erinnerte bei der CDU am Tag der Deutschen Einheit an schwarz-grüne Zeiten in Mülheim.
Vom Jagdzimmer ins Museum: Als sich 1994 CDU und Grüne in leicht waidmännischem Ambiente im Handelshof versammelten, um von dort aus der Öffentlichkeit zu verkünden, dass sie eine Koalition bilden wollen, natürlich nur für Mülheim, da ging es tatsächlich darum, jemanden vor sich herzujagen: Ganz klar, die Sozialdemokraten. Und nun also Museum?
Zu ihren traditionellen Herbstgesprächen zum Tag der Deutschen Einheit haben die Christdemokraten in die Alte Post eingeladen. Und die Festrede hält: Wilhelm Knabe, die Mülheimer Gründungsfigur der Grünen. Er hatte damals zu denen gehört, die das schwarz-grüne Bündnis mitgeschmiedet hatten. Dies betont auch der CDU-Vorsitzende Andreas Schmidt in seiner Begrüßung und nimmt gleichzeitig für sich in Anspruch, in seiner Partei eine ähnliche Aufgabe wahrgenommen zu haben.
Anerkennung für Fischer von Kohl
Vor fast zwei Jahrzehnten war Schwarz-grün eine Provokation. Und Mülheim als erste Stadt in NRW, die von so einer Koalition regiert wurde, ein Experimentierfeld mit Ausstrahlung bis nach Bonn. Es war die Zeit, in der junge Abgeordnete von CDU und Grünen (z.B. Peter Altmaier und Armin Laschet, Steffi Lemke oder Cem Özdemir) sich zur „Pizza-Connection“ zusammenfanden und selbst von Kanzler Kohl anerkennende Worte über Joschka Fischer zu vernehmen waren.
Das ist nun lange her. Doch nach der letzten Bundestagswahl ist Schwarz-grün plötzlich wieder ein Thema, am Donnerstag wollen sich die Bundes-Spitzen in Berlin zu Sondierungen treffen. Soll nun wieder von der Ruhr aus ein Zeichen ausgehen? Wie gesagt, dieses Mal ist es das Museum. Aber einen solchen Ort besucht man ja auch nicht allein nur, um Artefakte aus der Vergangenheit zu beschauen, man hofft auch auf Impulse für die Zukunft. Wilhelm Knabe formuliert in seiner Rede den passenden Ansatz: .„Mir geht es darum, Erfahrungen weiterzugeben. Der Erfolg darf nicht einfach verschwinden, nicht einfach weg sein“
Ein Bürgerlicher
Der Erfolg, an den Knabe hier erinnert, erschöpft sich natürlich nicht allein im schwarz-grünen Experiment von damals - er bezieht sich vielmehr auf die Leistungen der Naturschutzbewegung insgesamt. Aber gerade das ist bemerkenswert. Knabe betont, dass Umweltschutz nicht Sache nur einer politischen Gruppe sein könnte, vielmehr - er nennt das Beispiel Energiewende - würden solche Fragen nur „parteiübergreifend“ gelöst werden können.
Der andere interessante Aspekt: Die CDU würdigt hier die politische Lebensleitung eines Mannes, der in der Tat in erster Linie immer ein Grüner war. Auch als er noch der CDU angehörte. Erst als er dort mit seinem Engagement für Naturschutz 1966 kein Gehör mehr fand, verließ er die Partei. Und der Union war Knabe immerhin direkt nach dem Kriegsende beigetreten, damals noch in seiner Heimat in Sachsen.
Die Konfrontation mit dem totalitären Staat, unter dem SED-Regime zu leben - das ist die andere prägende Erfahrung im Leben Knabes. Eine Erfahrung, die ihn von anderen Grünen-Gründern, die aus zum Teil stramm linken Gruppen stammten, abhebt, und der ihn auch heute noch der CDU sympathisch macht. Wilhelm Knabe gehört nicht zur Abteilung Attacke wie Jürgen Trittin; und „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ hat er wohl auch nie gesungen, jenen Song von „Ton, Steine Scherben“, der Band, die Claudia Roth mal gemanagt hat.
Hilfe für die Opposition in der DDR
Knabe ging es nie um Revolution, sondern um die Sache. Aber die wichtigste Erfahrung seines politischen Lebens ist vielleicht, dass es eben über diese Sachfragen tatsächlich zur Revolution kommen kann: zu einer friedlichen. In der DDR gab es zahlreiche Umweltgruppen. Zunächst ging es ihnen vor allem auch um den Naturschutz. Doch der Staat sah in ihnen eine Gefahr. Und schließlich wurden sie es auch. Sie protestierten, aber mit Kerzen - und mit Argumenten. Dafür dass diese Argumente auch Verbreitung fanden, hat Knabe in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter Ende der 80er Jahre mitgesorgt. Er hat Papier und Druckmaschinen in seinem Auto über die Grenze geschmuggelt. Als Knabe diese Geschichten erzählt, ist es still im Saal. Die gut hundert Besucher hören gespannt zu.
Unter ihnen auch einige Grüne: Werner Helmich, ein alter Weggefährte Knabes auch aus schwarz-grünen Zeiten, der auch jetzt noch dieser Option etwas abgewinnen kann. Franziska Krumwiede (29), die Vorsitzende, ist da wohl skeptischer. Gleichwohl: Wilhelm Knabe hat vor dem Hintergrund seines politischen Lebens interessante Impulse ausgegeben. In wenigen Tagen wird er 90. Ob schwarz-grüne Erneuerung ein Geburtstagsgeschenk wäre? Eine Antwort wäre Spekulation. Aber vielleicht trifft man sich ja mal wieder im Jagdzimmer.