Mülheim. .

Dorothea Schaaf betont: Ihr Zeitschriften- und Tabakgeschäft ist keine Trinkhalle, und eigentlich auch keine Bude, den Begriff Büdchen lässt sie gerade noch gelten. Ihr Pavillon auf der Schloßstraße, außen mit unzähligen Zeitungen und Zeitschriften dekoriert, nennt sich korrekt: Zeitschriften-Kiosk Gerhard Scholl.

Gerhard Scholl war ihr Vater, der schon 1949 seinen ersten Kiosk in Broich besaß. Dann folgte rasch der Umzug in die Innenstadt, bis 1980 das Ladenlokal auf der Schloßstraße bezogen wurde. Während die Kunden und Kundinnen in kurzen Abständen kommen und gehen, die schlanke Speldorferin in vielen Fällen die richtige Zeitung oder Zigarettenmarke schon bereit legt, bevor sie den Kiosk erreicht haben, erklärt sie ruhig: „Wir verkaufen keine Lebensmittel und auch keinen Alkohol, das wollte Vater nie. Druckerschwärze und Lebensmittel passen nicht zusammen!“

Bauarbeiter kurbelten Kaffee-Verkauf an

Auch gibt es nur wenige Süßigkeiten, vier Behälter mit Weingummis, einige Kaltgetränke und Kaffee aus der großen Kanne. „Mit dem Kaffee-Verkauf habe ich begonnen, als die Straße umgebaut wurde und viele Bauarbeiter morgens kamen“, erklärt sie. Außerdem gehören seit kurzem auch wieder Fahrkarten und Briefmarken, die auch einzeln zu erstehen sind, zum Sortiment. 70 Stunden in der Woche ist die 56-Jährige am Platz, im Sommer wird es ziemlich warm in ihrem Raum, im Winter hat sie zwar warme Füße durch eine Fußbodenheizung, oben ist sie „eingepackt wie ein Bär“.

Das Radio, immer WDR 2, läuft leise im Hintergrund. Montag bis Freitag von 5.45 Uhr bis 18 Uhr, Samstag von 6.30 bis 14 Uhr – Pausen kennt sie nicht. Wenn sie mal für ein paar Minuten verschwinden muss, wartet sie so lange, bis ein Bekannter kommt und aufpasst. „Meine Schwägerin springt für ein paar Stunden ein, wenn ich mal Besorgungen machen muss“, erklärt sie. Sehr freundlich grüßt sie ihre Kunden, kennt viele mit Namen, merkt sich Urlaubszeiten und Lesegewohnheiten, hat oft ein nettes Wort oder beginnt eine kleine Unterhaltung.

"Nazizeitungen verkaufe ich aus Prinzip nicht"

Höflichkeit und ein guter Service ist für sie vor allem in der heutigen Zeit, wo viele nur noch an sich denken, wichtiger denn je. „Wenn es irgendwie möglich ist, besorge ich Zeitschriften auch auf Wunsch“, aber eigentlich scheint sie fast alles zu haben. Fachmagazine jeder Art, von Computer- , Tier-, Handarbeitsmagazinen bis hin zu Wein- oder Gourmet-Blättern. Groschenromane fehlen ebenso wenig wie das Reader’s Digest oder die National Geographic. Nur „Nazizeitungen verkaufe ich aus Prinzip nicht. Da würde der Vater von Wolke sieben runter kommen und mir eine kleben!“ Überhaupt ist die Familie und ihre lange Geschichte - Dorothea Schaaf ist mit acht Geschwistern aufgewachsen - ein wichtiges Thema. „Wir waren damals zum Beispiel die ersten, die Gastarbeiter mit ihren Zeitungen aus der Heimat versorgt haben. Mittlerweile haben wir nur noch die türkischen Zeitungen, die hier gedruckt werden. Alle anderen Zeitungen bekomme ich leider nicht tagesaktuell“, bedauert sie , und überreicht einer jungen Kundin die neue Bravo.