Mülheim. .
„Selma“ ist im Dienst: „Nicht streicheln, ich arbeite“ steht auf ihrem Führgeschirr. Anlocken sollte man die schwarze Labradorhündin jetzt auch nicht. Und schon gar nicht füttern, denn das würde das Tier nur von seiner Aufgabe ablenken. „Selma“ ist ein Blindenführhund und ersetzt Maria St. Mont auf der Straße das Augenlicht.
Wer mit der 50-jährigen Mülheimerin in Winkhausen in die Straßenbahn steigt, quer durch die Stadt über Ampelkreuzungen geht oder durch das Forum spaziert, mag sich über das flotte Tempo wundern, mit dem Frau und Hund unterwegs sind. „Das macht der Hund. Heute sind wir noch langsam, wegen der Hitze“, lacht Frau St. Mont.
Zu Hause ein ganz normaler Familienhund
Der Hund gebe ihr Sicherheit, erklärt die Mülheimerin, die als junge Frau noch sehen konnte und erst im Laufe der Jahre ihre Sehkraft verlor. Als Maria St. Mont das Kommando „Suche Eingang“ gibt, führt „Selma“ sie in die Apotheke, wo sie etwas zu besorgen hat. Und leitet ihr Frauchen später auf der Schloßstraße sicher um die Absperrung herum, die vor „Voswinkel“ steht.
An der Haltestelle Stadtmitte, wo Frau St. Mont häufig ein- oder aussteigt, erinnert sie sich an die Baustelle vor dem Rathaus, wo die Absperrungen im Zuge der Sanierung häufig geändert worden sind. „Da hab’ ich mich ganz auf Selma verlassen.“ Zu Hause ist „Selma“ ein ganz normaler Familienhund: lieb, verschmust, verfressen. Doch im Führ-Geschirr gelten andere Regeln: Da muss der Hund gehorsam sein.
Ein Stück Selbstständigkeit
Maria St. Mont, die stellvertretende Vorsitzende des Mülheimer Blindenvereins ist, berichtet, dass außer ihr nur noch zwei Mitglieder einen ausgebildeten Hund nutzen. „Wir sagen nicht Blindenhund“, schmunzelt sie, „schließlich ist der Hund ja nicht blind“. „Selma“ ist der erste Hund, den die Familie St. Mont hält, doch die freundliche Hündin ist viel mehr als das: „Blindenführhunde sind Hilfsmittel“, erklärt Maria St. Mont.
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„Der Hund gibt einem ein ganzes Stück Selbstständigkeit wieder. Man ist nicht auf eine Person angewiesen.“ Für Blindenführhunde gelten Ausnahmegenehmigungen: Sie dürfen ihr Herrchen oder Frauchen überall dorthin führen, wohin Hunde normalerweise nicht dürfen: in Lebensmittelgeschäfte, Arztpraxen, Krankenhäuser. Selbst ins Kino, Konzert oder Theater dürfte „Selma“ mit – doch darauf verzichtet Frau St. Mont „Ich persönlich mache das nicht. Es ist ja viel zu laut für den Hund. Ich habe dann ja einen sehenden Begleiter dabei“.
Aufwendig ausgebildet
Maria St. Mont hat gute Erfahrungen gemacht. „In Mülheim gibt es so gut wie keine Probleme, mit dem Hund irgendwo hineinzukommen“, berichtet sie. Dennoch wünscht sich der Blindenverein, dass es endlich ein bundesweites Gesetz gibt, dass den Einsatz der Blindenführhunde klar regelt. Die Tiere sind aufwändig ausgebildet, was bis zu 25.000 € kosten kann, berichtet Frau St. Mont, die den „Blindenführhundausweis“ für „Selma“ stets bei sich hat.
Sie lernte ihre „Selma“ vor über sieben Jahren in der Führhundeschule in Alpen kennen: „Der Hund kam auf mich zu, und es passte“, erinnert sich die lebenslustige Frau. Doch so einfach kamen die beiden dann noch nicht zusammen: Mehrere Wochen wurde mit einem Trainer geübt, Maria St. Mont lernte, die richtigen Kommandos zu geben. Am Ende stand die „Gespannprüfung“ für Frau und Hund. Die Kosten für Selma übernahm Maria St. Monts Krankenkasse.
Irgendwann wird die fast neun Jahre alte Selma zu alt sein, um ihr Frauchen zu führen. „Es geht so lange, wie der Hund gesund ist. Der Richtwert liegt bei zehn Jahren“, so Frau St. Mont. „Es gibt welche, die schaffen es auch bis zum 13., 14. Lebensjahr.“ Wenn „Selma“ mal in Rente muss, gibt es auch schon eine Lösung. „Die ganze Familie reißt sich um sie“, lacht ihr Frauchen.