Mülheim.
Die junge Russin Olga Scheps zählt zu den aufsteigenden Sternen am Piano-Himmel und war bereits zweimal beim Klavier-Festival Ruhr zu Gast. Bei ihrem Festival-Auftritt in der Stadthalle erlebte man aber einen Abend gegenseitiger Irritation zwischen Künstlerin und Publikum.
Schon die Auswahl des Programms ist nicht glücklich: Anstatt Franz Schuberts gesamten vierteiligen Zyklus der Impromptus op. 142 zu spielen, beschränkt sich Scheps auf zwei Stücke, worauf im ersten Teil dann Schuberts Ungarische Melodie, dessen Zwölf Walzer und sechs Ländler folgen. Dadurch gerät die Musikabfolge sehr kleingliedrig und dem Publikum bietet sich kaum die Möglichkeit, sich in die Werke einzuhören und in eine Stimmung einzutauchen.
Publikum applaudiert ratlos
Nach dem Schubert-Block erklingen im zweiten Teil weitere Tanzmusiken, diesmal mit einer stärkeren Hinwendung zu russischen Komponisten. Der Bogen zurück zur deutschen Frühromantik wird dann mit Robert Schumanns „Faschingsschwank aus Wien“ op. 26 geschlagen.
Beim Publikum stellt sich aber schnell eine Irritation bezüglich der Frage ein, wann man denn am besten applaudieren solle. Eigentlich könnte Scheps die Schubert-Abfolge vor der Pause durchspielen, doch bereits die beiden Impromptus werden durch Applaus unterbrochen. Das führt dazu, dass schließlich auch nach kleineren Kompositionen kurzer Beifall aufflackert.
Der Verlegenheits- und Ratlosigkeits-Applaus des Publikums mündet schließlich in dem Irrwitz, dass während des fünfsätzigen „Faschingsschwank aus Wien“ dreimal applaudiert wird. Auf der einen Seite hat sich Olga Scheps solch ein Publikumsverhalten durch ihre Konzeption des Abends selbst zuzuschreiben. Auf der anderen Seite sollte man aber erwarten, dass die Besucher des Klavier-Festivals über die Benimmregeln bei einem klassischen Konzert informiert sind. In der Mülheimer Stadthalle war dies aber nicht der Fall.
Spannung zwischen den Stücken zerfasert
Sensiblere Pianisten-Seel reagieren bei solchen Vorfällen vielleicht mit Nervenzusammenbruch oder Wutanfall, Olga Scheps nimmt den Beifall nach dem ersten Satz des Faschingsschwanks sogar stehend entgegen. Später versucht sie mit ihrer Körpersprache zu signalisieren, dass es gleich weiter geht. Aber da ist schon alles zu spät.
Natürlich führt der regelmäßige Beifall dazu, dass nicht nur die Dramaturgie des Abends und die Spannung zwischen den Stücken zerfasert, sondern dass auch Olga Scheps unkonzentriert spielt. Große Emotionen erlebt man von ihr an diesem Abend sowieso nicht. Technisch und pianistisch spielt sie ansprechend und die vielen Valses und Ländler liegen ihr gar nicht schlecht, aber den Weg in die Herzen des Publikums findet sie so nicht.
Die zwei Schubert-Impromptus gestaltet sie intelligent, doch hätte man sich hier auch ein bisschen mehr Überschwang gewünscht. „Romeo und Julia vor dem Abschied“ aus Prokofjews Ballettmusik zu „Romeo und Julia“ ist in seiner zarten Melancholie ein rarer und lichter Augenblick.
Insgesamt war dieser orientierungslose Abend weder für die Pianistin noch für das Publikum in der Mülheimer Stadthalle ein Ruhmesblatt.