Mülheim an der Ruhr. .

Unterm Verdeck des Strandkorbs brummte es mächtig. Elke Groesdonk (56) wurde misstrauisch: Da haben doch nicht etwa Wespen ihr Nest gebaut? Besser die Finger davon lassen, dachte sie sich, und auch Ehemann Carsten war die Sache „zu kriminell“. Die Oberhausenerin griff lieber zum Telefon und rief an bei Kampermann & Söhne, ihres Zeichens Schädlingsbekämpfer.

Am Freitag dann rückt der Mülheimer Kammerjäger Kai Kampermann an, mit Imkerhut, hochgeschlossener Jacke, langen Handschuhen. Man weiß ja nie, was der schwarz-gelbe Gegner so draufhat. Obwohl: Den letzten Stich hat der Profi sich vor Jahren eingefangen, und zwar nicht bei der Arbeit, sondern im Freizeitpark mit dem Kind.

Meisterwerk der Wespen-Baukunst

Diesmal bleiben die Tierchen friedlich. Es summt im Inneren des Korbs, und Kampermann entdeckt rasch, wie die „Deutsche Wespe“ dort hinein gelangt ist. „Durch das Loch da unten in der Ecke.“ Behutsam schlägt er die Hülle des Korbs nach oben – zum Vorschein kommt ein Meisterwerk der Wespen-Baukunst.

Es hängt nicht von der Decke, so wie Laien das vielleicht vermuten, sondern liegt einfach auf dem blau-weiß gestreiften Sitz. Und beweist damit eine Theorie: „Es gibt keinen Platz, den es nicht gibt.“ Er ist schon überall fündig geworden: sogar in einem alten Nerzmantel.

Ein Haus ganz aus Holz

Mit einem Aerosol-Spray, das Insektizide beinhaltet – also chemische Stoffe zum Töten der Wespen –, nähert sich der 36-Jährige dem Nest. Auf der Spraydose steckt ein dünner Schlauch; den schiebt er in den Bau und versprüht das Gift. Einige Minuten später sind die Tiere tot und der Jäger zeigt Familie Groesdonk das Nest. Gebaut ist es aus Holz, genauer aus den obersten Schichten von Holz. Mit ihren scharfen Mundwerkzeugen tragen die Wespen den Baustoff ab. Vermischt mit Speichel erwächst daraus peu à peu ihr neues Zuhause, „das im Kern aussieht wie ein Parkhaus“. Je größer es wird, desto mehr Decks hat es. Und drumherum eine solide Schutzschicht.

Kampermann fällt auch die große Königin, die die Eier ablegt, in die Finger. Sie stirbt – das Schicksal des Schwarms ist besiegelt.

Maus in der Küche

Auch Leidensgenosse Hilmar Friebel aus Dümpten ist nach Kampermanns Besuch eine Sorge los; bei ihm hatten es sich die Wespen unterm Dach gemütlich gemacht. Die Dame (83), die der Schädlingsbekämpfer anschließend aufsucht, schildert andere Probleme: Aus einer Küchenschublade haben sie zwei kleine Augen angeschaut – eine Maus, oh weh! Die Tochter fing diese mit einer Tupperdose ein, setzte sie aus. Damit das kein zweites Mal passiert, hat Kampermann vor drei Wochen Fallen aufgestellt.

Die Dame möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, „weil die Nachbarn nicht wissen sollen, dass der Kammerjäger da war“. Dann, so glaubt sie, gelte sie als unsauber. Ein Vorurteil, das Kampermann kennt. Deshalb fährt er ein Auto ohne Firmenlogo und trägt Werkzeuge oft in blickdichten Tüten ins Haus. Und wenn ihn ein Fremder anspricht, dann ist er halt der Klempner.

Chemiekeule nur in Ausnahmefällen

Dabei, so Kampermann, ist das Vorurteil Quatsch: „Sie können ihr Haus auch mit der Zahnbürste putzen und bekommen Insektenbefall.“ Brotkäfer, Lebensmittel- und Kleidermotten, Schaben, Ameisen – Tierchen wie diesen rückt er zu Leibe. Chemie komme dabei nur im Ausnahmefall zum Einsatz, betont er. Auch Tauben und Ratten macht Kampermann den Garaus. Ein Großteil der Arbeit ist übrigens Prophylaxe – in der Großküche oder der Metzgerei sollen die Schädlinge gar nicht erst auftauchen.

Bei der 83-Jährigen muss der „Sherlock Holmes der Schädlinge“ heute unverrichteter Dinge abziehen – die Fallen sind leer geblieben und frischen Kot hat er auch nicht entdeckt. Dabei hatte er die Nager mit einer Lieblingsspeise gelockt: nein, nicht mit Käse oder Speck – mit knackiger Schokolade.

Und immer die Ruhe bewahren

„Ruhig bleiben, nicht nach den Tieren schlagen, sondern langsam aufstehen und weggehen“ – wer sich an diese Tipps halte, der brauche eigentlich keine Angst vor Wespen & Co. zu haben, sagt der Insekten-Experte Kai Kampermann. Gefährlich lebt nur der, der sich dem Nest eines Schwarms nähert – „denn dann können die Tiere auf Verteidigungsmodus umstellen und zustechen“.

Bis zu 8500 Wespen leben in einem Bau, berichtet der 36-Jährige. Doch egal, wie hübsch ihr Werk geworden ist – im darauffolgenden Jahr wird der Bau nicht wieder bezogen. „Die Königin zieht weiter und ein neues Nest entsteht.“

70 Nester pro Woche

Den Schädlingsbekämpfern also geht die Arbeit nicht aus. Zurzeit beseitigen sie rund 70 Nester pro Woche. Und sind auch artverwandten Tieren auf der Spur: Doch Bienen, Hummeln und Hornissen sind besonders geschützt; für jeden Einsatz gegen sie bedarf es einer speziellen Genehmigung der Landschaftsbehörde.

Auch vor diesen Tieren brauche man keine Angst zu haben, so Kampermann. Nicht mal vor Hornissen? „Nein, die sind zwar furchteinflößend groß und hören sich an wie Kampfhubschrauber – aber sie wollen uns Menschen nichts.“