Mülheim. .
Martha Hohensee, die am 13. Juni 1913 in Styrum als jüngste von drei Schwestern geboren wurde, führt seitdem ein ruhiges Leben. Erschüttert nur von den Weltkriegen. Beide hat sie ja erlebt. An den ersten hat sie kaum echte Erinnerungen. Ihr Vater wurde in Frankreich verwundet, kehrte aber zurück. Der zweite nahm ihr das Zuhause und zwang sie mit ihrem eigenen Kind zur Flucht. Die Zeit vom August 1943 bis Sommer 1945 war die einzige, die Martha Hohensee nicht in ihrer Heimatstadt verbrachte.
Zuvor hatte das junge Mädchen die Volksschule beendet und anschließend „zu Hause geholfen“. Berufstätig war sie nie. Ihren späteren Mann lernte Martha, die damals noch Schröder hieß, mit knapp 17 Jahren in der Straßenbahn kennen. Er war dort als Schaffner tätig. Als er bei der zweiten Verabredung unentschuldigt fehlte, hatte sie die Sache schon abgehakt. „Zwei Wochen später stand er vor der Tür. Er hatte mit einer Blinddarmentzündung im Krankenhaus gelegen.“ Handys besaß ja noch niemand. Die beiden, die einen einzigen Sohn bekamen, blieben bis zu seinem Tod 1974 zusammen.
Schwere Bombenangriffe im Juni 1943 zerstörte das Haus
Als Mülheim Mitte und Ende Juni 1943 durch schwerste Bombenangriffe zerstört wurde, lag das Haus der Hohensees an der Mellinghofer Straße schon in Schutt und Asche. Eine Luftmine, die im Garten niedergegangen war, hatte es kurz vor Ostern ‘43 komplett zerstört. „Es war wie weggeblasen“, berichtet ihr Sohn Willi Hohensee. Martha und ihr knapp elfjähriger Junge kletterten schockiert aus dem Keller.
Wenige Monate später brachte der Vater, der als Soldat Sonderurlaub bekam, Frau und Kind weit im Osten unter, etwa 30 km entfernt von Posen, wo seine Geschwister einen Bauernhof hatten. „Dort blieben wir, bis die Sowjetarmee kam“, erinnert sich der Sohn. „Wir bekamen den letzten Zug, der überhaupt nach Berlin gefahren ist.“
Zurück mit einem kleinen Koffer
Sie wurden einquartiert irgendwo am Schwielowsee und kehrten erst im Sommer ‘45, „mit einem kleinen Köfferchen“, nach Mülheim zurück. Wenigstens kam die Familie wieder zusammen, der Vater war aus der Gefangenschaft zurückgekehrt und fand rasch Arbeit, erst als Busfahrer, später beim Vermessungsamt, das über einen eigenen Fuhrpark verfügte.
Seit 1957 und bis heute lebt Martha Hohensee im Haus ihrer längst verstorbenen Eltern, hübsch und hoch gelegen am Scharpenberg. Was sie sich wünscht zu ihrem Hundertsten? „Nur, dass ich noch ein bisschen dabei bleiben darf.“ Vielleicht auch wegen ihrer Urur-enkelin, die vor drei Monaten geboren wurde und am Wochenende natürlich zu den Geburtstagsgästen gehört.