Mülheim. 108 Minuten warten, 141 Menschen in der Schlange - mehr als eine Momentaufnahme für die aktuelle Situation im Mülheimer Bürgeramt. Trotz der langen Wartezeiten verteilen die Bürger ein Lob: an die Mitarbeiter für deren gute Laune. Die Organisation jedoch sei eine Fehlkonstruktion. Ist das zumutbar?

Donnerstag, 14.12 Uhr. Wartezeit 108 Minuten. Eine Momentaufnahme aus dem Bürgeramt in diesen Tagen. Viele Bürger sind mit den Wartezeiten nicht zufrieden, äußern sich kritisch wie Claudia Wiegand aus Speldorf: „Vor Ihnen warten 141 Bürger“ steht am Nachmittag auf dem Zettel, den der Automat im Bürgeramt ihr ausspuckt.

„Die Wartenden werden in einem geschlossenen Raum zusammengepfercht, man kann nur noch die Flucht ergreifen“, beklagt die Speldorferin und empfindet die Situation auch für die Beschäftigten der Stadt dort schlicht als „Zumutung“.

Desolate Situation

Ausdrücklich werden von Bürgern die Mitarbeiter im Amt auch gelobt: „Einige verlieren trotz der desolaten Situation ihre gute Laune und Freundlichkeit nicht.“ Als „völlige Fehlkonstruktion“ bezeichnet Andreas Stetter das Bürgeramt in seiner Konstruktion. „Stattdessen rottet das bürgerfreundliche ehemalige Straßenverkehrsamt teuer vor sich hin“, beklagt er und bricht ebenfalls eine Lanze für die Mitarbeiter. „Unfreundlich bin ich dort noch niemals behandelt worden.“ Selbst Dankesschreiben erreichen Amtsleiter Reinhard Kleibrink. „Unbürokratisch, schnell und kompetent wurde mir geholfen“, schreibt ein Bürger ihm.

Die Wartezeiten, bis zu drei Stunden, sind bekannt. Auch innerhalb der Politik. Was tun? „Ich habe wenig Verständnis dafür, dass nicht mehr Personal eingesetzt wird, dass stattdessen der Hundeleinenzwang in Wäldern kontrolliert wird“, sagt Birger Bender, einst Mitglied im WAZ-Leserbeirat.

Fast 700 Bürger an einem Tag

Mehr Personal? Fast 700 Bürger an einem Tag, die mit ihren Anliegen vom Pass bis zum Führerschein, von der Beglaubigung bis zum Führungszeugnis kommen, sind inzwischen Realität. Dabei waren schon die Zahlen aus dem Vorjahr beachtlich: rund 90 000 Bürger mit mehr als 101 000 Anliegen standen vor den Schreibtischen.

Mit einer Krankenquote von derzeit 40 Prozent (WAZ berichtete) bei 27 Mitarbeitern muss das Amt derzeit die Masse bewältigen. Verstärkung ist nicht in Sicht. Die gesamte Stadtverwaltung muss wegen der Haushaltskrise weiterhin Personal abbauen.

"Effektivität sehr zweifelhaft"

Auf Verständnis kann die Verwaltung nicht überall hoffen. Dieter Brandt von der Semmelweißstraße etwa kommt zu dem Urteil: „Die Bürger erlauben sich den Luxus einer Verwaltung, die mit hohen Kosten behaftet und deren Effektivität doch sehr zweifelhaft ist.“ Planung müsse sich an Bürgerbedürfnissen orientieren, fordert Brandt.

Einfach mehr Personal ins Bürgeramt versetzen, geht nicht. „Wer dort arbeitet, braucht etwa ein Jahr lang zusätzliche Praxiserfahrung, um das nötige Spezialwissen zu erlangen“, sagt Stadtdirektor Frank Steinfort. Was die Arbeitsbedingungen angeht, habe die Stadt alles getan, um vernünftige Bedingungen zu schaffen, betont der Stadtdirektor, schränkt aber ein: Bei über 80 Wartenden wird es in der Wartezone ungemütlich. Sein Wunsch: Alle Mitarbeiter gesund! Dann, so Steinfort, würde die Wartezeit maximal bei einer halben Stunde liegen – und das sei zumutbar.