Mülheim-Speldorf.
Angst soll an den Flüchtlingsunterkünften in der Eltener Straße am kommenden Montag gar nicht erst aufkommen, wenn die rechtspopulistische Gruppierung Pro NRW zur Kundgebung „gegen Asylmissbrauch“, wie sie es nennt, aufruft. Mit friedlichen und kreativen Aktionen soll den Teilnehmern der Kundgebung die Stirn geboten werden, die Mülheimer Initiative für Toleranz, die Awo, das Flüchtlingsreferat des evangelischen Kirchenkreises Mülheim und andere Institutionen sowie etliche Privatpersonen wollen mit einem Solidaritätsfest am Montag Flagge zeigen.
Doch wer sind die Betroffenen in der Eltener Straße? Wie leben sie, wie gehen sie mit der Tatsache um, dass es in dem Land, in dem sie um Asyl nachsuchen, Gruppierungen gibt, die sie lieber heute als morgen davon jagen möchten? Die WAZ besuchte eine syrische Familie, die darum bittet, ihre Namen nicht zu nennen, in ihrer Wohnung in der Eltener Straße.
"Das Warten ist das Schlimmste"
Die Wurzeln dieser Familie sind in Kamishli, im Nordosten des Landes unweit der türkischen Grenze gelegen. In ihrer Heimat führten die Mitglieder der Familie bereits ein beschwerliches Leben, da sie als Kurden zu einer nicht gern gesehenen Minderheit gehörten. Vor einem Jahr und drei Monaten flohen sie vor den Wirren des Bürgerkrieges über mehrere Länder nach Deutschland und landeten in Mülheim. Die 60-jährige herzkranke Mutter ist „Oberhaupt“ der Familie, mit ihr wohnen in zwei kleinen Räumen plus winziger Küche die vier Kinder, zwei Männer (31 und 22 Jahre alt) und zwei Frauen (30 und 27).
Die Familie wartet seit ihrer Ankunft in Mülheim vor über einem Jahr sehnlichst auf die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Erst wenn die Mitglieder der Familie als Asylberechtigte anerkannt werden, kann für sie ein einigermaßen geregeltes Leben beginnen, erst dann gibt es zum Beispiel auch eine Arbeitserlaubnis. „Das Warten, die Ungewissheit, wann der Bescheid endlich kommt, das ist wirklich das Schlimmste“, sagt der älteste Sohn. Dazu kämen noch die täglichen Sorgen um die Angehörigen in der Heimat, all das zehre schon sehr an den Nerven.
Demonstration in Rufweite des Heims
Doch Mutter, Töchter und Söhne sind die gelebte Bescheidenheit und unerschütterliche Freundlichkeit. „Wir sind zufrieden, dass wir hier sind“, sagen sie mit einem Lächeln. Und wenn dann noch der Asylantrag genehmigt würde, dann wäre das für sie fast so wie ein Geschenk des Himmels. „Dann wollen wir sofort an intensiven Deutschkursen teilnehmen und uns alle eine Arbeit suchen“, so der älteste Sohn.
Dass es am Montag Menschen geben wird, die in Rufweite gegen das Asylrecht demonstrieren wollen, beurteilt er sehr zurückhaltend: „Das ist ihr Land, das ist ihre Meinung. Nur sollten alle vielleicht nicht vergessen, dass niemand gerne sein Heimatland verlässt.“
Viele haben schlimme Dinge erlebt
Eine ausgewiesene Expertin im Umgang mit Asylbewerbern ist Annette Faßbender, Leiterin des Flüchtlingsreferats des evangelischen Kirchenkreises. Seit fast 25 Jahren kümmert sie sich beratend, unterstützend und helfend um Asylsuchende, Asylberechtigte und De-facto-Flüchtlinge. Faßbender kennt die Sorgen und Nöte dieser Menschen wie vielleicht keine Zweite.
„Ich finde es erschreckend“, sagt Faßbender, „dass diese Kundgebung am Montag stattfindet. Ich sehe das natürlich auch durch die Brille der Betroffenen, die schon einige Befürchtungen haben. Da sind Leute dabei, die aus Syrien oder Afghanistan geflohen sind und in ihrer Heimat schlimme Dinge erlebt haben und nicht selten traumatisiert sind.“ Sie glaube schon, so Faßbender, dass es am Montag eine Menge Menschen geben werde, die vor Ort signalisieren, dass sie mit Pro NRW und dieser Kundgebung nicht einverstanden sind.
Flüchtlingsreferat bietet in Sprechstunden Hilfe an
Direkt vor Ort, in den Unterkünften der Eltener Straße sind die Reaktionen der Bewohner auf die angekündigte Pro NRW-Aktion recht unterschiedlich. Annette Faßbender: „Ich erlebe politisch Denkende aus Syrien, die diskutieren wollen; aber auch Frauen, die Angst um ihre Kinder haben und mich fragen, ob sie diese für den Tag lieber bei Freunden unterbringen sollen. Für alle von ihnen ist es wichtig zu erleben, dass sie am 11. März nicht alleine sind.“
Das Flüchtlingsreferat des evangelischen Kirchenkreises an der Althofstraße hilft in den Sprechstunden in der Innenstadt und bei Hausbesuchen u.a. bei(m )Ausfüllen von Formularen, Vermittlung zu anderen Institutionen, Behörden, Beratungsstellen, Beratung im Asylverfahren, Kontakten zu Rechtsanwalten, Beratung bei Rückwanderung, Kontakte zu Schulen, Sprachkursen, Arbeitserlaubnis, gesundheitlichen Problemen.