Mülheim.

Der Duft von Leder und Leim liegt in der Luft, und an der Wand hängen Werkzeuge, die man noch nie zuvor gesehen hat: Ahle, Riemenschneider, Kantenzieher und Reifelholz. Martina Gollnick sitzt an der Werkbank, hat zwei dicke Rindslederstreifen in den Kloben eingespannt und näht sie zusammen - mit zwei Nadeln und (nur) einem Faden. Die 46-Jährige ist Reitsportsattlerin, die einzige in Mülheim. Ihr Gesellenstück, eine Pferdetrense, hängt in ihrem kleinen Laden an der Bruchstraße.

Über Umwege zum Ziel

Das Leben führt manchmal erst über Umwege zum Ziel. Martina Gollnick studierte zunächst „etwas orientierungslos BWL“, bevor sie zur Sattlerei kam. Bei einem Praktikum in der Autosattlerei ihres ersten Mannes entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Sattler-Beruf. „Das Leder roch so gut, das handwerkliche Arbeiten machte so viel Spaß - ich wusste plötzlich: Hier bin ich richtig“, erinnert sie sich. Selber Reiterin beschloss sie, bei einem Reitsportsattler in Essen in die Lehre zu gehen, schloss die Ausbildung 1996 mit Note 1 ab. „Die Sattlerei war einfach meins“, sagt sie. Bei einem Raumausstatter/Sattler im Münsterland fand sie eine Stelle.

Schicksalsschläge zwangen die gebürtige Berlinerin zu einer längeren Familienphase, irgendwann aber fing sie doch wieder zu nähen an. Erst im Wohnzimmer, dann im Keller, später in der Gartenhütte. 2004 meldete sie ein Gewerbe an, hatte zudem noch eine kaufmännische Ausbildung eingeschoben. „Aus dem Reitsportbereich bin ich inzwischen aber raus, ich fertige nun aus Leder Taschen, Handy- und Gürtel-Täschchen, Gürtel, Armbänder, Schlüsselanhänger oder auch Hundehalsbänder an“, berichtet sie und plant, bald eine Weiterbildung zur Täschnerin und Feintäschnerin zu absolvieren.

Reparaturen von Ledersachen sind das zweite Standbein der Sattlerin. „Die Leute sind dankbar, dass sie überhaupt jemanden finden, der so etwas noch macht“, weiß sie. So hat sie schon manchen Riemen wieder an eine Tasche angenäht, einen Ersatz-Reißverschluss in einen Stiefel eingesetzt oder einen neuen Gürtel zu einer hübschen Schnalle angefertigt. Derzeit versucht sie, einen alten Lederkoffer, den ihr ein älterer Herr vorbei gebracht hat, wieder instand zu setzen. „Heutzutage werden kaputte Lederwaren oft weggeworfen. Es gibt aber auch Menschen, die an einem Lieblingsstück hängen und es einfach repariert haben wollen“, so Martina Gollnick.

Stundenlohn fällt gering aus

Vieles an ihrer Tätigkeit ist echte Handarbeit und kostet daher auch seinen Preis, manches kann aber auch mit der Nähmaschine vollbracht werden. Eine Schuster-, eine Raumausstatter- und zwei Haushaltsmaschinen stehen bereit. Das Rohmaterial kauft die Handwerkerin beim ortsnahen Großhändler oder dem Gerber in Norddeutschland. Sie zieht vegetabil (natürlich) gegerbte Leder den chemisch gegerbten vor. An der Entwicklung eines Prototypen bastelt Gollnick oft Stunden, „wenn ich danach zehn weitere Exemplare von dem Modell nähe, geht es von Mal zu Mal natürlich schneller“, berichtet sie. Dennoch: Ihr Stundenlohn fällt mit 30 Euro doch recht gering aus.

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Die Existenzgründerin (mit Unternehmerinnen-Brief, eigener Patin und Gründungszuschuss) will jetzt richtig durchstarten, viel Anklang fanden ihre Produkte z.B. schon auf dem Adventsmarkt. Vor allem ihre Taschen aus Leder und bunt gefärbten Springbockfellen waren gefragt. Martina Gollnick „liebt ihren Job und das Material Leder“: „Am liebsten würde ich mir ein Feldbett in der Werkstatt aufstellen“, sagt sie augenzwinkernd.