Mülheim. .
Eine ältere Dame fühlt sich nicht zuständig. Gerade hat sie einen Film gesehen, in dem zwei Halbstarke einen Jugendlichen in einer voll besetzten U-Bahn schikanieren – und niemand hilft.
Zivilcourage zeigen ohne sich zu gefährden
Die Dame hat Verständnis: „Ich hätte auch Angst, zumal ich eine Frau bin. Da waren so viele Männer, sollen die was machen.“ So einfach klingt es, Verantwortung abzuschieben. Dass es so einfach aber nicht ist, erfahren die etwa zehn Teilnehmer in den folgenden Stunden: Bei dem Workshop, den die Ev. Familienbildungsstätte (FBS) in Kooperation mit der MuTiger-Stiftung anbietet, lernen sie, wie sie Zivilcourage zeigen, ohne sich selbst zu gefährden.
Im Rollenspiel besser machen
Im Film hat gezeigt, wie es nicht geht. Nun sollen sie es im Rollenspiel besser machen. Im FBS-Kursraum nehmen sie Platz im „Bus“, der aus aufgereihten Stühlen besteht, und diskutieren nach der ersten gespielten Szene: Muss man eingreifen, wenn der Mann mit der dunklen Brille und dem lauten Auftreten der Frau gegenüber blöde Sprüche macht? Oder erst, wenn er sich breit macht auf seinem Sitz, ihr nicht nur verbal, sondern auch körperlich zu nahe tritt? Ersteres, finden Männer, sei keine echte Bedrohung gewesen, die habe sich entwickelt. „Nein“, widerspricht Deeskalationstrainer Ernst Nieland, der den Kurs für die Stiftung für Zivilcourage, unterstützt von einem Polizeibeamten, leitet: „Die Situation begann, als er den Bus betrat und den Fahrer durch seine Gestik provozierte. Das war das Signal: Der ist auf Krawall aus. Das beeinflusste die Reaktion der Frau als er sich neben sie setzte.“
Situationen einschätzen
Situationen einzuschätzen lernen die Teilnehmer. Dazu gehört, auf Körpersprache zu achten – auf die eigene, um nicht wie ein leichtes Opfer zu wirken – und auf die der anderen, um Menschen wahrzunehmen, die helfen wollen, sich alleine aber (auch) nicht trauen. Gemeinschaft, sagt der Trainer, macht stark. Und manchmal reiche es, eine Autoritätsperson anzusprechen. Das kann der Busfahrer sein, der „Hausrecht“ habe und laut Nieland die Pflicht zu helfen: „Wenn der eine Durchsage macht: ,Leute, ich sehe euch und habe die Polizei verständigt’, reicht das meistens schon.“
An den Fahrer hat bisher niemand gedacht. „Auf die Idee wäre ich nicht gekommen“, sagt Teilnehmer Sammy Samaties und zieht ein positives Zwischenfazit: „Ich denke, dass ich viel aus dem Kurs ziehen werde.“ Und wenn es nur die Grundregel ist, die Ernst Nieland nennt: „Zivilcourage heißt: Täter ausblenden.“ Ihm solle man nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Denn letztlich hilft Zivilcourage nur dem Opfer.