Mülheim.

Johanne Böhmfeldt, genannt Hanne, wird heute 100 Jahre alt, doch wenn man ihr gegenüber sitzt, dann glaubt man es kaum, dass diese hellwach erzählende, lückenlos erinnernde Frau tatsächlich schon seit dem letzten Novembertag 1912 in Mülheim lebt.

Sie wohnt in einem eigenen Appartement in Heißen, allerdings Tür an Tür mit ihrer 76-jährigen Tochter Edith, die sich um alles Nötige kümmert. Dass ihr Augenlicht sehr schwach geworden sei, beklagt Johanne Böhmfeldt. Beim Gehen stützt sie ein Rollator, aber gemessen daran, wie es ihr vor zwei Jahren ging, ist die Hundertjährige wieder gut auf die Beine gekommen.

Kinder holten sie aus dem Pflegeheim heraus

Damals brachten Rückenprobleme und Lähmungen sie erst für Wochen ins Krankenhaus, anschließend in ein Pflegeheim, aus dem die Tochter und der 65-jährige Sohn sie aber wieder herausholten. Ärzte prognostizierten, dass sie bettlägerig bleibt, doch die alte Dame startete noch einmal durch. Allerdings: Viel Gewicht hat sie verloren, so dass die durchweg selbstgenähte Garderobe nicht mehr passt.

Johanne Böhmfeldt, die nach der Schule das Nähen lernte, hat fast nie ein Kleidungsstück im Laden gekauft. Als junge Frau schneiderte sie für wohlhabende Leute in Mülheim und den Nachbarstädten, in deren Häusern sie ganze Arbeitstage mit Vollverpflegung verbrachte: „Dort gab es auch in schlechten Zeiten gutes Essen.“ Die kleine Tochter wurde derweil von der Oma betreut: Johanne Böhmfeldts Mutter, die selber sechs eigene Kinder versorgt hatte, nachdem sie Anfang des 20. Jahrhunderts mit ihrem Mann aus Niederschlesien nach Mülheim gezogen war.

Hanne Böhmfeldts Vater starb, als sie gerade sieben Jahre war: Spätfolge eines Arbeitsunfalls auf der Friedrich-Wilhelms-Hütte, bei dem er offenbar eine schwere Lungenverletzung erlitten hatte. Nach dem Tod des Vaters, „waren wir bettelarm“, erinnert sich Johanne Böhmfeldt, „aber wir hatten immer ein schönes Familienleben und hingen zusammen wie die Kletten“.

Feiern mit vier Urenkeln

Ihre eigene Familie gründete sie 1932 mit Ehemann Hans, den sie in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend kennengelernt hatte. Die beiden blieben bis über die Diamantene Hochzeit hinaus ein Paar. Und da ihr Mann, von Beruf Stahlbauer, auf Montage arbeitete, von Chile bis Korea, reiste sie gelegentlich mit ihm. „Wir haben 1957 auch für acht Monate in Ägypten gelebt.“

Ansonsten aber war Johanne Böhmfeldt, die übrigens seit 34 Jahren und bis heute der SPD angehjört, immer in Mülheim sesshaft, wo sie heute auch ihren 100. feiert. Mit fünf Enkeln, vier Urenkeln und zig weiteren Gästen.