Mülheim.
Fevsi Eraslan hat das Haus voll. Zur zweiten Runde des Mülheimer Dialog-Tisches hat der Mülheimer türkischer Herkunft am Samstagabend Freunde und Bekannte zu sich nach Hause eingeladen, die sich untereinander jedoch nicht kennen. Der Tisch ist mit dem guten Geschirr festlich gedeckt, Getränke und Kuchen sollen den Kennenlern- und Gesprächsabend versüßen.
Zwölf Menschen sitzen gespannt in der Runde, man weiß noch nicht, wen man vor sich hat. Nach der Begrüßung durch Eraslan, der Mitglied der Mülheimer Initiative für Toleranz, M.I.T., und Vorsitzender des Türkischen Vereins ist, stellen sich die Anwesenden vor. Der Mülheimer Künstler und Ruhrpreisträger Prof. Heiner Schmitz ist mit seiner Frau Ute gekommen. Sie berichten von Reisen, täglichen Kontakten mit Menschen, die einen Zuwanderungshintergrund haben – Ute Schmitz als Lehrerin, Heiner Schmitz im Rahmen seines Engagements und seiner Fotoprojekte.
Prominenter Besuch darf nicht fehlen
Prominenter Besuch am Abend ist die Staatssekretärin für Integration und Duisburgerin Zülfiye Kaykin, die ihre Praktikantin Fatma Gülcü und Adalet Satici mitgebracht hat, die sich gerne nun, wo ihre Kinder erwachsen sind, engagieren möchte. „Ich bin eingebürgert und die Vorurteile, denen man immer noch im Alltag begegnet, gefallen mir nicht“, sagt die Mülheimerin.
Mediha Sen, Ehefrau von Enver Sen, Vorsitzendem des Integrationsrates, berichtet von ihrer beruflichen Entwicklung, die sie erst ab dem 40. Lebensjahr in Angriff nehmen konnte. Heute ist sie Wohnbereichsleiterin und qualifiziert sich unermüdlich weiter. Ina Berg, mit indonesischem Vater und türkischem Onkel, ist Psychologin und Therapeutin bei der Caritas. „Welchen Werten soll ich folgen?“ hat sie sich im Laufe ihres Lebens oft gefragt und denkt über die Initiierung eines Dialogtisches für Jugendliche nach. Für sie gilt: „Es gibt keine richtigen oder falschen Werte, es gibt nur eigene Werte.“
Ihr Lebensgefährte Silvio Dellin, der mit vielen ausländischen Kollegen arbeitet, kennt im Alltag keine Diskriminierung. Die Iranerin und Erziehungswissenschaftlerin Mahnaz Airempoor, vor über 20 Jahren aus politischen Gründen nach Deutschland und schließlich nach Mülheim gekommen, arbeitet schwerpunktmäßig im Bereich Integration und Migration. Der Unternehmer Ülfet Kilincarslan vertritt vehement die Meinung, dass Menschen ihr Schicksal eigeninitiativ in die Hand nehmen sollen.
Mangelhafte Toleranz der Deutschen
Die Diskussion beginnt schon während der Vorstellungsrunde, alle Gäste könnten mit ihren Erfahrungen in der Wahlheimat Deutschland oder mit Menschen anderer Herkunft den Abend alleine gestalten. Sie berichten, wie sie, obwohl in Deutschland geboren wie Fatma Gülcü, oder bereits als Kind nach Deutschland gekommen, auf ihren Migrationshintergrund reduziert werden.
Alle Gäste mit Zuwanderungshintergrund, obwohl engagiert, gebildet, vorwärtsgewandt und sich ihrer Stadt und Deutschland zugehörig fühlend, leiden unter der mangelhaften Toleranz ihrer deutschen Mitbürger. Sie sehen wohl, dass es die dritte Generation einfacher hat, aber gute Bildung und Ausbildung immer Grundvoraussetzung für beruflichen Erfolg sei, wie Ute Schmidt, die an der Duisburger VHS Integrationskurse leitet, betont.
Migration nicht immer Thema im Beruf
Mahnaz Airempoor berichtet von einem Projekt, dass Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in unterschiedlichen Kulturen verdeutlicht, in dem Religionen oder auch Redewendungen verglichen wurden. Das Ehepaar Schmitz erinnert an die historische Integration der polnischen Einwanderer im Ruhrgebiet.
In der Wirtschaft sei Diskriminierung laut Ülfet Kilincarslan kein Thema. „Hauptsache, das Produkt ist gut und das Angebot stimmt, dann ist es unwichtig, aus welchem Land man kommt.“ Die Staatssekretärin möchte die Diskussion lieber weniger negativ über Defizite als über Potentiale führen. Sie meint, dass sich mit der europäischen Vielfalt auch das nationale Bewusstsein verändere.
Der Abend gestaltete sich anregend und interessant, aber durch die hohe Gästezahl, eigentlich wurden sechs bis acht Teilnehmer empfohlen, hätte man leicht viele Abende mit den Gesprächen füllen können.
Trotzdem ging man herzlich und voller Eindrücke auseinander, Telefonnummern wurden getauscht, das Ziel, Menschen kennen zu lernen und Vorurteile abzubauen, war man an diesem Abend sicher ein gutes Stück näher gekommen. Aber der Abend bei Fevzi Eraslan zeigt deutlich, das zu dem Thema Toleranz und Integration auch zukünftig noch viel Gesprächsbedarf geben wird.