Mülheim. .

Elisabeth und Hans Josef Gätz sind mit den Nerven am Ende. Immer wieder spricht das Rentner-Ehepaar davon, sich „allein gelassen“ zu fühlen mit der Sorge um ihr Einfamilienhaus am Wintgensweg im Nordwesten von Saarn.

„Wir trauen uns je nach Wetterlage ja kaum noch aus dem Haus“, sagen sie. „Weil wir befürchten, dass wir hier absaufen.“ Mit einem Neubauprojekt auf Nachbargrund am Fängerweg sehen die zwei Senioren weiteres Unheil auf ihr Eigentum zukommen. Noch mehr Versiegelung, sind sie überzeugt, erhöht die Gefahr des Wassereinbruchs.

Die Ruhrboden Immobilien GmbH wird den Nachbargrund bebauen. Entstehen sollen mit Stichstraßen-Anbindung zum ­Fängerweg ein Doppelhaus und im Dreierverbund Reihenhäuser (jeweils gut 150 m2). Drei der Häuser, die zwischen 370- und 440.000 Euro kosten, sind schon verkauft.

Bauvorhaben ist abgesegnet

Wie so manches jüngere Bauvorhaben war auch dieses kleine am Fängerweg umstritten, letztlich ist es bei Enthaltungen von MBI und Wir-Linke mit großer politischer Mehrheit abgesegnet. Die Politik war der Auffassung der Fachverwaltung und von Gutachten ­gefolgt, die etwa in der zusätzlichen Flächenversiegelung keine unzumutbaren Auswirkungen auf die Nachbarschaft sehen.

Das Ehepaar Gätz berichtet, dass bei starkem Regen immer wieder die Terrasse in ihrem Garten unter Wasser gestanden habe. Weil die Kanalisation große Mengen Niederschlag ebenso wenig wie der felsige Untergrund aufnehmen könne, steige Wasser gar in der Waschküche auf. Die zusätzliche Versiegelung auf dem höhergelegenen Nachbargrund, so befürchtet das Ehepaar, werde ihrem Eigentum, das vor allem durch Gelände-Modellierung auf dem Grundstück selbst tiefer liegt, noch mehr zusetzen. Seit neun Jahren eine Dauereinrichtung vor der Terrassentür: Sandsäcke. Einmal immerhin habe die Stadt die zum Grundstück ­abschüssigen Bürgersteige baulich so verändert, dass nicht mehr das Wasser von der Straße aufs Grundstück fließt. Durch die viele Bautätigkeit der Vergangenheit aber sei das Kanalsystem bei Starkregen überlastet.

Noch kein Grund zur Sorge

Wolfgang Zimmermann, Inhaber der Ruhrboden Immobilien, sieht entsprechend der Festsetzungen im vorhabenbezogenen Bebauungsplan „keine Erfordernis für besondere Maßnahmen zur Entwässerung“. Er ist bemüht, den Nachbarn die Angst vor unzumutbaren Zuständen zu nehmen: „Wenn wir erkennen sollten, dass doch Maßnahmen erforderlich sind, werden wir es machen. Ich bin schließlich in der Gewährleistungspflicht gegenüber meinen Käufern. Denen kann ich kein mangelhaftes ­Gewerk hinterlassen.“

Am Ende der Belastbarkeit

Laut Festsetzung im Bebauungsplan soll das Regenwasser auf dem Neubauland am Fängerweg ohnehin – „zur Erhöhung der Akzeptanz der Planung in der Nachbarschaft“ – künftig über einen Mischwasserkanal gen Norden entwässert werden.

Planungsamtschef Martin Harter sieht insgesamt „keine Verschlechterung für die Nachbarn“. Die Fachverwaltung werde die ­Sache aber im Rahmen des in der Bauleitplanung verpflichtenden Monitorings im Blick halten und notfalls reagieren.

Gleichwohl sieht Harter die Entwässerung über Abwasserkanäle vor Ort „am Ende ihrer Belastbarkeit“. Gerd Bachmann als Chef der Stadtentwässerung SEM wollte sich dazu auf WAZ-Anfrage nicht dezidiert äußern. Lediglich ließ er wissen, es gebe „dringendere Aktivitäten“. Allerdings deutete Bachmann an, dass die SEM dringenden Bedarf sieht, in Mülheim mehr als die aktuell veranschlagten 15 Mio. Euro pro Jahr in die ­Erneuerung des Kanalsystems zu investieren. Die „Notwendigkeit, reichlich Geld in die Hand zu nehmen“, werde die SEM alsbald mit dem Umweltamt der Stadt ­erörtern. „Wir sind der Meinung, dass was passieren muss.“