Mülheim.

Quo vadis, Buch? Werden auch künftige Generationen zum gedruckten Wort greifen? Oder werden die Menschen ihren Wissensdurst, ihre Lust auf Unterhaltung und geistige Anregung künftig mehr und mehr durch das elektronische Buch stillen? Ein Thema, das die Mitarbeiter der Katholischen Öffentlichen Büchereien im Bistum Essen stark interessiert.

Kulturkompetenz, nicht nur Hobby

Auf ihrer 50. Diözesantagung in der Akademie Wolfsburg in Speldorf konnte Bischof Dr. Gebhard Fürst, ein ausgewiesener Fachmann, den rund 160 meist weiblichen Bibliothekaren noch keine Antworten auf die Entwicklung zum elektronischen Buch geben.

Fürst, Bischof des Bistums Stuttgart-Rothenburg und Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, beschrieb die Bedeutung des Lesens für den modernen Menschen so: „Lesen ist eine Kulturkompetenz, nicht nur Hobby.“. Mit der katholischen Büchereiarbeit leiste die Kirche in Deutschland einen fundamentalen Beitrag zur Kultur des Landes, so Fürst. Aber diese Arbeit – übrigens auch die der evangelischen Kirche – stehe „oft im Schatten“, sei noch immer zu wenigen Bürgern bekannt.

Immerhin, stellte der Bischof fest, habe eine Enquete-Kommission des Bundestages zur Kultur in Deutschland betont: „Die Bedeutung christlicher Tradition für Kunst und Kultur ist ganz herausragend.“ Die Kirchen setzten hierzulande rund 20 Prozent ihrer Kirchensteuern, Zuwendungen, Zuschüsse und Vermögenserlöse für ihre kulturellen Aktivitäten ein, etwa vier Milliarden Euro jährlich, rechnete Bischof Fürst vor: „In dieser Höhe liegen die Kirchen etwa auf dem Niveau der Ausgaben von Kommunen und Ländern.“

Ohne viel Eigeninitiative seien auch die katholischen öffentlichen Bibliotheken undenkbar: „Hauptamt und engagiertes Ehrenamt teilen sich etwa je zur Hälfte diese kirchliche Kulturarbeit.“ Besonders auf dem Land sicherten die bundesweit 3800 katholischen Büchereien die Versorgung. „Dieses niederschwellige Angebot ermöglicht den Zugang zu Literatur in erreichbarer Nähe oder in besonderen Situationen des Lebens.“ Außerdem betonte der Bischof: „Die Kirchen fördern mit ihrer kulturellen Breitenarbeit insbesondere die Jugend.“ Dazu gehöre die Leseförderung durch christliche Büchereien. Fürsts Resümee: „Die katholischen Büchereien sind ein wichtiges Stück der Alltagskultur unserer Kirche. Sie sind Stätten der Begegnung, dienen oft der Seelsorge.

1849 Veranstaltungen zum Lesen

Allein 2011 leisteten die mehr als tausend Mitarbeiter der katholischen öffentlichen Büchereien im Bistum Essen 110 746 Arbeitsstunden. Haupt- und Ehrenamtler verwalteten im Ruhr-Bistum insgesamt 529 177 Medien an 145 verschiedenen Standorten.

Im vergangenen Jahr organisierten die katholischen Christen im Bistum Essen 1849 Veranstaltungen zur Leseförderung und -erziehung, Lesungen und Literatur-Gesprächskreise. Doch es gibt noch viel zu tun: Denn allein in Deutschland gelten auch heute sieben Millionen Menschen als Analphabeten, können weder lesen noch schreiben. Daher läuft bundesweit eine große Medienkampagne zur Alphabetisierung.

Gunda Ostermann, Geschäftsführerin des katholischen Borromäusvereins Bonn, brachte auf der Diözesantagung in Speldorf die Bedeutung kirchlicher wie öffentlicher Büchereien so auf den Punkt: „Bei Google finden wir hunderttausend Antworten, in einer Bücherei finden wir die richtige! Ohne Lesekompetenz, ohne Kompetenz in den alten Medien können wir die Chancen der modernen Informationsgesellschaft überhaupt nicht nutzen!“

Im Anschluss an den Festvortrag von Bischof Fürst besuchten die Büchereimitarbeiter eine literarische Matinee mit Empfehlungen aktueller Neuerscheinungen im Herbst. Arbeitsgruppen sowie eine musikalisch-literarische Revue zum Thema Buch rundeten die Tagung in Speldorf ab.