Mülheim. .
Scharen von Anzugträgern mit Businesskoffern, die im Morgengrauen in blanken Schuhen über das Rollfeld eilen: Am Flughafen Essen/Mülheim wird man dieses Szenario nicht erleben. Zum Glück, meinen die einen. Bedauerlich, finden andere. Geschäftsflüge gibt es hier zwar, aber nur im kleinen Stil.
Jüngste Statistik, von 2011: Rund 47.500 Start und Landungen gab es im Vorjahr auf dem Airport zwischen den Städten, davon entfielen gut 29 000 Flugbewegungen auf kommerziellen Verkehr. Erfasst ist dabei allerdings auch beispielsweise der gewerbliche Schulungsverkehr. Die reine „Business-Aviation“, Geschäftsreisen in Chartermaschinen, macht nach Angaben der Flughafengesellschaft FEM etwa 3150 Starts und Landungen jährlich aus.
Flugstunde kostet ca. 1500 Euro
Die Firmen FFL und Star Wings bieten Geschäftsflüge von Mülheim aus an: in Turbo-Props, Propeller-Maschinen unterschiedlicher Größe, die jedoch höchstens 33 Personen fassen und eine Reichweite von maximal 2500 Kilometern haben. Womit man in Europa allerdings fast alle Länder erreichen könne, betont Flughafen-Geschäftsführer Reiner Eismann.
Vier Passagiere beispielsweise, die eine kleine Turbo-Prop buchen, zahlen ca. 350 Euro pro Flugstunde, „der Pilot ist schon dabei“. Wird etwa eine Beech 200 eingesetzt, für bis zu neun Reisende, liegt der Preis nach Flughafenangaben ungefähr bei 1500 Euro pro Stunde in der Luft. Berlin erreicht man so in etwa 1:15 Stunden, Prag in 2:15 bis 2:45 Stunden. „Wir sind ein Nischenflughafen“, so Eismann, „und können mittelgroße Städte in ganz Europa direkt erreichen.“ Im Einzelfall könne es sogar kostengünstiger sein als ein Linienflug in der Businessklasse. Und man sei zeitlich unabhängiger, nicht an Flugpläne gebunden, falls sich ein Geschäftstermin unerwartet lange hinzieht. „Wir haben zudem extrem kurze Ein- und Auscheckzeiten“, betont Eismann, „da bei uns keine Sicherheits- und keine Passkontrolle erfolgt.“
Themenseite Mobilität Es gibt auch eine Reihe kleiner bis mittlerer Unternehmen, die am hiesigen Airport eigene Werkflugzeuge stationiert haben. Zwölf sind es momentan, u.a. aus Essen, Mülheim, Gelsenkirchen, darunter ein Wirtschafts- und Steuerberaterbüro sowie eine Textilfirma, deren Leute häufig in England etwas zu erledigen haben. „In etwa der Hälfte der Fälle fliegt der Chef selber“, so Eismann. Vermutlich aus persönlicher Passion. Von den großen Konzernen in der Region unterhalte kaum einer eigene Flieger: „Nur Thyssen/Krupp. Die stehen in Düsseldorf.“
Für Düsenjets seit 2010 verboten
So weit der heutige Stand am Airport, den sich die Wirtschaft anders gewünscht hatte. In einer Umfrage, die im März 2009 publik wurde, äußerten 45 Ruhrgebiets-Unternehmen den Wunsch, von Essen/Mülheim aus zu fliegen, darunter Vertreter von RWE, Mannesmann, Tengelmann. Voraussetzung: Erweiterung zu einem Business-Flughafen, von dem aus Düsenjets starten dürfen. Schneller, mit mehr Reichweite als die Propellermaschinen. Drei Jahre lang, 2007 bis 2009, setzte die Firma VHM drei strahlgetriebene Maschinen in Mülheim ein, die vor allem von Geschäftsreisenden genutzt wurden, europaweit. Ein Anwohner erwirkte 2010 bekanntlich eine Verbotsentscheidung des Oberverwaltungsgerichtes, die diese Ära der „kleinen Düse“ beendete. Wo andere schon von 5000 Business-Flügen jährlich träumten.
Sollte der Airport, was nach dem eben vorgelegten Gutachten zulässig ist, in einen „Sonderlandeplatz“ umgewandelt werden, wird es wohl keine Geschäftsflüge mehr geben. Die meisten Firmen dürften das kaum spüren.
Große Konzerne buchen anderswo billiger
Der Siemens-Konzern hat rund 5000 Mitarbeiter am Standort Mülheim und Geschäftsaktivitäten in rund 190 Ländern weltweit. Man könnte vermuten, dass der eine oder andere Vielflieger der Firma für kürzere Strecken gelegentlich vom hiesigen Airport aus startet, doch das geschieht offensichtlich nicht. Weder hat Siemens eigene Maschinen im Hangar stehen, noch werden Geschäftsflüge hier gebucht. „Die Siemens-Leute fliegen alle Linie“, berichtet Flughafen-Geschäftsführer Reiner Eismann. „Wir haben dort vor Jahren einmal eine Akquise gemacht, konnten aber vergleichbar günstige Tarife nicht anbieten.“
Georg Lohmann, Siemens-Pressesprecher für die Region West, bestätigt: „Wir greifen, wie in großen Unternehmen allgemein üblich, auf die Fluggesellschaften zurück, mit denen unser Travel Management Verträge über Sonderkonditionen geschlossen hat.“ Dies laufe nicht regional, sondern zentral.
Genau wie die Organisation von Geschäftsflügen: „Alle Anfragen für Dienstreisen laufen bei uns per Computer über ein zentrales Buchungstool“, erklärt Kerstin Reuland, Sprecherin für den Siemens-Standort in Mülheim. „Wir bekommen Vorschläge für mögliche Verbindungen und sind gemäß Richtlinien auch gehalten, die günstigste Variante zu wählen.“ Für die Mülheimer Siemens-Leute liege meist Düsseldorf am nächsten.