Mülheim. .
„Was reißen die denn hier schon wieder auf!“ Die zwei älteren Herren an der Leinweberstraße wundern sich kopfschüttelnd. Doch die Bauarbeiten, die gestern begannen, werden nur eine Woche dauern und gehören zu dem Projekt „Simply City“, was soviel heißt wie: Vereinfache Deine Stadt! Auf der Leinweber wird die Ampelanlage in Höhe Kohlenkamp abgerissen, für Autofahrer gilt demnächst vom Berliner- bis zum Kaiserplatz Tempo 20.
„Der Fußgänger soll an jeder Stelle die große Innenstadtallee queren können“, sagt Verkehrsplaner Roland Jansen und appelliert an die Autofahrer: Nehmt Rücksicht! Gezeigt habe sich bei Verkehrszählungen, dass ohnehin nur ein geringer Teil die Ampel nutzte. 70 bis 80 Prozent der Fußgänger hätten dort die Leineweber überquert, wo sie wollten. Selbst der, der die Ampel gedrückt hatte, wollte oft nicht so lange warten und lief los – mit der Folge: Rot für Autofahrer, Rückstau bis zum Berliner Platz – und kein Fußgänger querte.
Keine Ampel und Tempo 20, da ist sich Tiefbauamtsleiter Klaus-Dieter Kerlisch sicher, werden den Verkehr verstetigen. Heißt: Rückstaus werde es kaum noch geben.
Bundesweit modellhaft
Wo bisher die Ampel stand, wird es künftig eine farbliche Abtrennung des Überganges Richtung Altstadt geben. Zugleich wird für die Autofahrer eine leichte Mulde gebaut, so dass sie den Fußgängerüberweg beim Fahren spüren. Damit kein Fußgänger unter der Straßenbahn landet, wird es im Bereich Kohlenkamp auf beiden Seiten der Leineweber eine Lichtleise im Boden geben, die signalisiert: Vorsicht Bahn! Die Lichtleiste sponsert das RWE. Zugleich ertönt beim Ankommen der Straßenbahn als akustisches Signal eine Glocke. Das müsste aus Sicht der Verkehrsplaner in Sachen Sicherheit ausreichen. Unterm Strich spart die Stadt dabei rund 5000 Euro für die Wartung der Ampelanlage im Jahr.
Die „Entrümpelung der Leineweber Straße“ wäre damit abgeschlossen. Eine Kommission mit Vertretern der Stadt, der Polizei, des ADAC und des Planerbüro Südstadt hatte bereits Vorfeld 105 der 204 (!) Verkehrsschilder rund um die Leineweber für überflüssig erklärt. Sie wurden beseitigt. Einige ältere Fahrradständer wie auch Sitzgelegenheiten sollen jetzt noch gegen neue ausgetauscht werden, sagt Jansen und hofft dabei auf Sponsoren. Gut möglich, so Kerlisch, dass mit der Umgestaltung der Leineweber sich auch das Gefühl verstärkt, dass Innenstadt und Altstadt näher zusammenrücken. „Die Verkehrsbarrieren jedenfalls haben wir beseitigt.“
Dieses Zusammenrücken ist ein Wunsch vieler Bürger und Politiker wie auch die Steigerung der Aufenthaltsqualität der Allee. „Macht aus der Leinweber einen Boulevard!“, lautete ein häufig genannter Wunsch der Bürger beim Workshop zur Umgestaltung. Die Verkehrsberuhigung, so Jansen, gehöre dazu.
„Simply City“ ist für Mülheim ein sehr erfolgreiches Projekt. Nach dem Ortskern von Heißen und jetzt der Leineweber soll im Oktober der Schilderwald entlang der Mellinghofer Straße gelichtet werden. Übersichtlicher, einfacher, und damit auch sicherer, ungefährlicher soll es danach zugehen. 350 Verkehrsschilder hat Mülheim bislang im Rahmen des Projektes entsorgt. „Alles überflüssige, störende oder gar kontraproduktive Schilder“, erklärt Jansen. Jedes zweite Verkehrsschild an der Leineweber ist weg, nicht viel weniger sind es in Heißen und werden es an der Mellinghofer sein. Beim Lichten des Schilderwaldes gilt Mülheim bundesweit aus Sicht des ADAC als modellhaft. Die Verkehrsplaner sind darauf ein wenig stolz in einer Stadt, in der über den Verkehr sonst häufig nur gemeckert wird.