Mülheim. .

Ein Marktschreier ist hier schon lange nicht mehr zu hören. Es geht eher still zu, aber auch sehr persönlich. Ein Pfund Pflaumen, Zwiebeln, Bohnen kauft ein älterer Herr und ist der einzige am Stand. Er könnte noch gegenüber einen Fisch mitnehmen, ein paar Blumen und eine Wurst. Das wär es dann aber auch schon gewesen am gestrigen Donnerstag, mehr Markt ist nicht.

Selbst jene, die dem Wochenmarkt stets wohl gesonnen sind, meinen: „Eigentlich kann von einem Wochenmarkt gar nicht mehr gesprochen werden.“ Von einer „eingetretenen Bedeutungslosigkeit“ des früheren Wochenmarktes ist selbst im Rathaus die Rede. Eine Stadt wie Mülheim ohne richtigen Markt in einer Innenstadt? Was läuft da falsch? Die Verlagerung des Wochenmarktes auf die Schloßstraße galt vor vier Jahren als kluger Schachzug der MST.

Mitten im Lauffluss der Kunden sollten die Marktstände liegen und zugleich die Innenstadt beleben. Mehr Marktkunden, mehr Geschäftskunden in der gebeutelten Mülheimer Innenstadt – so lautete das Konzept. Auch heute noch sagen Einzelhändler überzeugt: Der Markt ist für uns eine Bereicherung. Doch das Marktleben lebte nie so richtig auf.

Es waren mal 54 Händler

Die Familie Rademacher gehört zu den treuesten Marktbeschickern in der Stadt. Die Fischhändler stehen in der vierten Generation auf dem Mülheimer Markt und haben andere Zeiten erlebt, gar nicht so lange her. „Vor zehn Jahren waren wir in Mülheim noch 54 Händler“, erzählt Helge Rademacher. In der Spitze waren es noch mehr. Damals war der Markt auf dem Platz vor dem Rathaus. Doch dann begann der Umbau der Ruhrpromenade, die umfangreiche Sanierung des Rathauses startete. Die Markthändler mussten weichen. Ein sicheres Quartier hatten sie nie, auch nicht auf der Schloßstraße, im Winter wurden sie auf den Berliner Platz verlegt. Abseits, versteckt – lautete eine häufige Kritik.

Gerade diese Unsicherheit, so Rademacher, habe Schaden angerichtet. „ein Markt braucht Ruhe, Verlässlichkeit, das ständige Umziehen muss aufhören“. Markthändler in anderen Städten, die man für Mülheim gewinnen möchte, würden sofort abwinken, berichtet Rademacher. „Keiner verlässt irgendwo einen sicheren Standort, um nach Mülheim zu kommen, das ihm unsicher erscheint.“

Aktuell, so Norbert Noak, Geschäftsführer des Marktverbandes, gebe es noch zwölf Händler für Mülheim. Derzeit seien auch manche im Urlaub, es habe einen Todesfall gegeben, und Nachwuchs sei schwer zu bekommen. Er nennt noch zwei weitere Gründe, die den Markt auf der Schloßstraße eher traurig wirken lassen: „Die großen Blumenkübel haben für viele potenzielle Marktbeschicker die Stellplätze zu klein gemacht.“ Und: Mülheim sei für Markthändler teurer als andere Kommunen. An einen rasanten Aufschwung des Marktes auf der Schloßstraße glaubt er nicht.

Zukunft auf dem Rathausplatz

Die Zukunft des Wochenmarktes sehen viel in der Stadt – Politiker, Stadtplaner, aber auch Bürger – wieder dort, wo er mal herkam, auf dem Rathausplatz. Ein Wunsch, der auch jüngst in der Debatte über das neue Leitbild von Mülheim aufkam. Die Beratungen über ein neues Nutzungskonzept des Rathausplatzes beginnen in den politischen Sitzungen im September. Der Stadtverwaltung schwebt vor, den Rathausmarkt nach Ende der Sanierungen wieder zu einer Art „guten Stube“ zu machen, eben auch mit den derzeitigen Markthändlern. Aber nicht nur Markt soll es dort eines Tages mal geben, sondern auch Freizeitnutzungen oder die ein oder andere Großveranstaltung. Einzelne Märkte wie der Stoff- und Tuchmarkt hätten gezeigt, dass der Standort angenommen werde. Im Zuge der Neugestaltung und neuen Nutzungen schlägt das Planungsdezernat vor, den Platz optisch aufzuwerten.

Ein guter Weg zur Rückkehr zum Wochenmarkt alter Zeiten? „Wenn es der Stadt gelingen sollte, neue Händler für Mülheim zu gewinnen, wäre es gut“, sagt Rademacher, betont aber auch: „Markt ist dort nur möglich, wenn auch die letzte Baustelle beendet ist.“ Geschäftsführer Noak hat Zweifel: Nach jetzigem Stand könnten wir höchstens ein Viertel der Fläche ausnutzen, alles andere sähe verloren aus. Aus der Politik ist zu hören, dass die Stadt auch mit anderen überörtlichen Marktverbänden Kontakt aufnehmen sollte, um das Händlerpotenzial zu erweitern und alte Marktzeiten in Mülheim wieder zu beleben.