Mülheim. .

Eine 90-Jährige auf Höhenflug, das Geburtstagskind komplett auf eigenen Füßen unterwegs und schwer angesagt in der ganzen Welt: Die Siebtechnik und die Steinhaus GmbH haben aktuell allen Grund, hoch zufrieden zu sein. Mit ihrer weltweit aufgestellten Firmengruppe stehen die Mülheimer Schwesterunternehmen so gut da wie nie zuvor. Und auch die Aussichten sind rosig, weil gerade Aufträge aus Ländern wie China, die große Wachstumssprünge machen, kräftig sprudeln.

2012 wird, das ist längst klar, das weitaus umsatzstärkste für die Siebtechnik GmbH. Der Umsatz im Regelgeschäft wird auf über 50 Mio. Euro klettern. Hinzu kommt „ein Sonderereignis“, wie Geschäftsführer Karl Bongartz den gigantischen Sonderauftrag aus China nennt, der dem Unternehmen zusätzlich 20 Mio. Euro Umsatz beschert und für den aus Platzgründen eigens und auf Zeit eine Montagehalle in Moers angemietet worden ist, weil die Produktionskapazitäten an der Weseler Straße (Hafen) auf so ein zusätzliches Volumen nicht ausgelegt sind.

Was die Siebtechnik macht, steckt schon im Namen: Technik zum Sieben. Die Firma ist groß geworden mit entsprechendem Maschinenbau für die heimische Kohlenbergbauindustrie. Auch Siebmaschinen zur Entwässerung und Trennung nach Korngrößen für Erze, Steine und Erden zählen noch heute, aber in wesentlich geringerem Umfang wie einst zum Produktportfolio der Firma. In deren Leitung ist die Familie des Gründers, des Ingenieurs Wilhelm Heinrich Steinhaus, heute bereits in vierter Generation tätig.

Bestimmung der Qualitätsgüte

„Den Strukturwandel haben wir nicht nur verkraftet“, sagt Geschäftsführer Bongartz, „wir haben ihn praktisch gar nicht gemerkt, weil wir ihn frühzeitig selbst aktiv angegangen sind.“ So ist Siebtechnik schon seit Jahrzehnten mit zwei weiteren Produktionsbereichen unterwegs: einerseits mit vollautomatischen Beprobungsanlagen, die vor einer Verladung von Schüttgütern zum Einsatz kommen, um Proben zur Bestimmung derer Qualitätsgüte zu nehmen.

Längst der wichtigste, laut Bongartz „geschäftsbestimmende“ Bereich ist die Produktion von Zentrifugen, die in der Lage sind, mit einer Umdrehungskraft bis zu dem 1500-fachen der Erdgeschwindigkeit eben jene Trennung von flüssigen und festen Bestandteilen aller möglichen Kristalle oder Pulver hinzubekommen – vom Kunststoff bis zu Düngemitteln oder Lactose. So sind die Chemie- und Lebensmittelindustrie große Kunden. Insbesondere in stark wachsenden Ländern ist die Nachfrage hoch, unter anderem weil dort die Landwirtschaft nach und nach technisiert wird.

Gezielt Nischen besetzt 

„Wir besetzen als anwendungsbezogener Maschinenbauer gezielt Nischen“, sagt Bongartz, und fügt hinzu: „Als Marktführer.“ Das gesammelte Wissen in der Verfahrenstechnik sei ein Pfund, um gut vor Produktpiraterie geschützt zu sein. „Es reicht nicht, allein unsere Maschinen zu kopieren, um uns Konkurrenz zu machen“, sagt er. Dieses technische Know-how der Firma sei Garantie dafür, überhaupt noch am Standort Mülheim produzieren zu können. Im Projektgeschäft mit mehreren über die Welt verteilten Auftraggebern hilft es laut Bongartz, dass die Siebtechnik als Mittelständler mit flachen Hierarchien und kurzen Entscheidungswegen flexibel und breit aufgestellt sei.

245 Mitarbeiter im Werk

Die 245 Mitarbeiter im Werk an der Weseler Straße sind aber längst nicht alleine in der Firmengruppe. Diese beschäftigt in weltweit gut 50 Gesellschaften rund 2700 Menschen (zwischen 300 und 400 Mio. Euro Umsatz). Die größte Produktionsstätte unterhält die Gruppe als Mehrheitseignerin in Johannesburg (Multotec Group, 1000 Mitarbeiter). Produziert aber wird etwa auch in den USA, in China, wo noch in diesem Jahr eine neue Halle eingeweiht werden soll, in Tschechien, in Australien – und in Bergisch Gladbach.

Dort produziert die Steinhaus GmbH, ebenfalls vor 90 Jahren in Mülheim gegründet und wie die Siebtechnik mit Zentrale im Solbad Raffelberg beheimatet. Die Steinhaus GmbH fungiert klassisch weiter als Handelsunternehmen und vertreibt weltweit Produkte der Firmengruppe: Siebe und Filter aus verschiedensten Materialien, auch Fördergurte aus Draht, die etwa in der Lebensmittelproduktion von Backwaren oder Frittiertem zum Einsatz kommen.

Keine Krisenängste

Christian Steinhaus (44), in vierter Generation des Gründers seit zehn Jahren in der Unternehmensgruppe tätig, sieht aktuell keinen Grund für Krisenängste. „Das, was uns beschäftigt, ist eher ein Luxusproblem: Was machen wir mit unserer hohen Liquidität, unserer Kriegskasse?“ Also eine kerngesunde 90-Jährige, die zum Geburtstag am 1. September für Mitarbeiter ein Familienfest feiert.