Mülheim.
Die prunkvoll verzierte Fassade eines Jugendstilhauses im Duisburger Stadtteil Bruckhausen zeugt noch vom Wohlstand des Industrie-Zeitalters. Doch der Putz ist heruntergekommen, die Scheiben eingeschlagen, das Haus steht leer. Ein Relikt zurückgelassenen Lebens, bevor endgültig die Abrissbirnen anrollen.
Es sind Bilder wie diese, die im Kulturhauptstadtjahr 2010 systematisch aus der öffentlichen Wahrnehmung des Ruhrgebiets verbannt werden sollten, und die das Gesicht des Reviers doch entscheidend prägen – bis heute. Die Fotografen Bernd Langmack und Haiko Hebig zeigen sie in ihrer aktuellen Ausstellung „Stahl und Stadt – Ansichten über die Wirklichkeit des Ruhrgebiets“, sie ist derzeit zu sehen im Kunstmuseum am Synagogenplatz.
Stahl und Stadt, nicht nur von ihrem Wortklang her sind diese Begriffe im Ruhrgebiet untrennbar miteinander verbunden. Sie bedingen sich gegenseitig. Am Beispiel der Städte Duisburg und Dortmund zeigen die Fotografen, wie sich dies auf den öffentlichen Raum und das Leben der Menschen in der Region ausgewirkt hat. Weder geht es ihnen um die nostalgische Verklärung von Kameradschaft und Maloche, noch um imageträchtige Entwürfe eines Ruhrgebiets, das es außer in den Hochglanz-Broschüren der Kulturhauptstadt-Macher noch gar nicht gibt. Sie zeigen, was ist.
Bernd Langmack hat sich Duisburg-Bruckhausen auf seinen Bildern mit dem unverstellten Blick eines neutralen Beobachters genähert. Und dem fiel eines ins Auge: Die Stahlindustrie in der Stadt ist lebendiger denn je. So zeigt eine Aufnahme, wie Emissionen aus den Schornsteinen des trutzigen Thyssen-Krupp Hüttenwerks Schwelgern in den Himmel aufsteigen. Ironische Randnotiz: Das Foto stammt aus dem Jahr 2010.
Wir sind Strukturwandel. Hinter dieses wohlfeile Credo setzen Langmack und Hebig in ihren Arbeiten ein Fragezeichen. Macht es ihnen auch Spaß, die Finger in Wunden zu legen? „Mir ging es vor allem um eine glaubwürdige Darstellung der Gegenwart im Ruhrgebiet. Und da kann man soziale Probleme nicht einfach ausblenden“, erklärt Bernd Langmack.
Dafür musste er sich auch schon als Nestbeschmutzer schmähen lassen. Dabei lebt der gebürtige Niedersachse seit über 40 Jahren gern in Essen. „Ich kenne keine Gegend in Deutschland, in der die Menschen Zugezogene so herzlich aufnehmen wie hier.“ Außerdem sei das Ruhrgebiet ein spannender Schmelztiegel der Kulturen, voller Kontraste und Widersprüche.
So schwingt in den Bildern hinter der Hässlichkeit eines abrissfertigen Wohnblocks auch immer etwas Liebevolles mit. Leere und brachliegende Landschaft – das sind dagegen die bestimmenden Elemente in den Aufnahmen von Haiko Hebig. Wo in Dortmund einst große Industrieanlagen das Stadtbild prägten, rücken heute vielerorts weite asphaltierte Flächen in den Fokus. Auf den Fotos haben sich dort Pfützen gesammelt, denn der Himmel über Dortmund scheint immer regenverhangen. Zum Thema Heimatgefühle hat der Dortmunder ein gespaltenes Verhältnis. „Es gibt schwierige Ecken, aber ich bin hier nun mal zu Hause.“ Und fügt mit Blick auf die Wetterkulisse hinzu: „Nur wenn es leicht nieselt, ist Dortmund wirklich Dortmund.“
Öffnungszeiten
Die Ausstellung ist bis zum 4. März im Kunstmuseum, Synagogenplatz 1, zu sehen. Das Museum ist dienstags, mittwochs und freitags von 11 bis 17 Uhr, donnerstags von 11 bis 21 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Öffentliche Führungen gibt es außerdem an den Sonntagen, 22. Januar und 4. März, jeweils ab 11 Uhr. Begleitend ist auch ein Katalog im Klartext-Verlag erschienen.