Mülheim. .
Wenn der Krach am Gartenzaun eskaliert, kommen sie zum Einsatz: Schiedsleute. Zehn Frauen und Männer arbeiten in Mülheim als ehrenamtlich vereidigte Streitschlichter. Auch wenn es in NRW immer weniger außergerichtliche Schlichtungen gibt, haben sie genug zu tun. Schließlich entlasten sie nicht nur die Gerichte, ihre Entscheidungen sind für die Beteiligten auch die schnellere und günstigere Alternative zum Gerichtsprozess.
Gestern wurden Annegret Hartmann, Klaus Heuser und Hans-Peter Brill als neue Schiedsleute im Amtsgericht begrüßt, Heinz-Dieter Zeitnitz wurde aus dem Bezirk 10 verabschiedet. Eigentlich gibt es genügend Bewerber für das Ehrenamt – nur für Eppinghofen sucht die Stadt händeringend nach einem Nachfolger.
Mit Menschen in Stresssituationen kennt sich Annegret Hartmann aus. Als Mediatorin hilft sie Leuten aus problematischen Lebenslagen. Auf ihr Ehrenamt im Bezirk Altstadt/Winkhausen freut sie sich, genau wie ihre zwei Amtskollegen. Auch sie haben bereits Erfahrungen mit dem Streitschlichten. Klaus Heuser als Ausbilder beim Berufsbildungswerk, zukünftig in Dümpten im Einsatz, und Hans-Peter Brill als Familientherapeut – er tritt in Saarn an.
Einfühlungsvermögen statt Paragrafenreiterei
Was zählt, ist Einfühlungsvermögen statt Paragrafenreiterei. „Wichtig ist, die Leute in ihren Problemen wertzuschätzen, beiden Seiten zuzuhören“, weiß Annegret Hartmann. Und: „Zu schauen, was wirklich dahinter steckt.“ Denn der Gartenzaun ist meist nicht das wahre Problem. „Das ist nur der Aufhänger, dahinter stecken zwischenmenschliche Konflikte“, weiß auch Heinz-Dieter Zeitnitz. Nach 21 Jahren als Streitschlichter in Saarn, Selbeck und Mintard, reicht er das Zepter nun an Hans-Peter Brill weiter. Etwa 25 Fälle bearbeitete er pro Jahr. Die vielen Telefonate nicht eingerechnet.
Hat sich die Streitkultur im Laufe der Jahre verändert? „Ja, früher waren Schlichtungen einfacher. Heute rennen alle sofort zu ihren Anwälten, die meist aus Geldgründen zum Prozess raten.“ Die Anzahl der Streitfälle sei im Bezirk 10 – entgegen des NRW-Trends – gestiegen. „Was aber auch an der dichten Bebauung liegt“, weiß Zeitnitz. Der Streit über den Gartenzaun ist also der Klassiker? „Eindeutig.“ Vor allem an der Saarner Kuppe komme es zum Zwist zwischen Nachbarn, „weil dort die Einzäunungen in den Bebauungsplänen sehr unterschiedlich festgelegt sind.“ In etwa 60 bis 70 % der Fälle sei aber eine Lösung zu erreichen, mit der beide Seiten zufrieden sind. Ohnehin sei dies das oberste Ziel.
Vorbereiten auf das Ehrenamt
Um die Schiedsleute auf die Arbeit vorzubereiten, nehmen sie an Einführungslehrgängen teil, spielen dort Fälle nach und lernen die rechtlichen Grundlagen. Wichtig: „Wir dürfen wir keinen Rechtsrat erteilen“, weiß Zeitnitz. Dafür sind die Vergleiche der Schiedsleute 30 Jahre lang gültig und sofort vollstreckbar.
Um den Nachwuchs im Schiedsamt mache sich das Rats- und Rechtsamt der Stadt, das die Bewerber auswählt und auch die Fortbildungskosten übernimmt, keine Sorgen. „Nur in Eppinghofen suchen wir bereits seit Jahren einen Nachfolger“, sagt Helga Adameit aus dem Rats- und Rechtsamt. Voraussetzung sei, dass er oder sie im Bezirk wohne.