Mülheim. .
Während der Ferienzeit ist am Düsseldorfer Flughafen erwartungsgemäß viel Verkehr, auch am späten Abend – doch was am vergangenen Wochenende los war, ist selbst für Kenner der Materie ungewöhnlich: Sage und schreibe 30 Flieger starteten oder landeten am letzten Freitag erst nach 22 Uhr.
Im Mülheimer Süden, der an den meisten Tagen im Jahr voll in der Einflugschneise liegt, wird es dann sehr unruhig. Vor allem in Mintard und Selbeck, neuerdings häufen sich auch Klagen von der Saarner Kuppe. Nachtflugbeschränkungen sehen eigentlich Ruhe zwischen 22 und sechs Uhr vor.
Der letzte Jet in der Nacht auf Samstag, eine German-Sky-Maschine, kam um 0.33 Uhr an. Die Essener Initiative „Bürger gegen Fluglärm“ spricht von einer „Chaos-Nacht“. Sie hat im Juli 209 Landungen nach 23 Uhr gezählt. Zum Vergleich: Im Januar gab es gerade mal 17 späte Landungen.
Die Kritiker, dazu zählt das Mülheimer Netzwerk gegen Fluglärm, werfen dem Airport und den Fluggesellschaften vor, Verspätungen bewusst einzukalkulieren, um möglichst viele Tickets verkaufen zu können. Der Flughafen hält dagegen: „Niemand hat ein Interesse an Verspätungen“, so Airport-Sprecher Christian Hinkel. Der vergangene Freitag sei eine „Ausnahme-Situation“ gewesen: Erstens habe es deutschlandweit schwere Gewitter gegeben. Zweitens habe der Flugverkehr in Düsseldorf am Abend für eine halbe Stunde stillgestanden, weil eine German-Wings-Maschine von Bremen nach Stuttgart wegen eines technischen Defektes in Düsseldorf habe zwischenlanden müssen. „Da können wir nur um Verständnis bitten.“
Störungen führen zum Nachtflug
Fakt ist: Unvorhergesehene Ereignisse oder einfach nur Stoßzeiten – wie zum Ferienstart – bringen den Flugplan so durcheinander, dass die letzten Jets erst um Mitternacht ankommen. Das bekommen nicht nur Bürger im Süden der Stadt mit. Auch in Saarn mehren sich die Klagen. „Von der Saarner Kuppe kommen massive Beschwerden, dass Flugzeuge noch weit nach 22 Uhr starten und weit nach 23 Uhr landen“, so Netzwerk-Sprecher Waldemar Nowak.
Bei bis zu 700 Flugbewegungen pro Tag sei der Flughafen so überfrachtet, dass viele Warteschleifen geflogen würden, dazu noch in geringer Flughöhe, teilweise gar schon mit ausgefahrenem Fahrwerk. Dass der Fluglärm vermehrt Bürger in Saarn belästigt, erklärt Nowak mit vermeintlicher Taktik des Flughafen-Betriebs. So versuche man der Lärmmessstation in Mintard möglichst wenige angreifbare Daten zu liefern. Deshalb auch mehr Nachtflüge über Saarn.
Den Nacht-Rekord 2011 hält übrigens eine Air-Berlin-Maschine; Landezeit: 1:39 Uhr. Für Essens „Bürger gegen Fluglärm“ steht fest: „Die Start- und Landekapazitäten werden ohne Rücksicht auf Mitarbeiter, Passagiere und Anwohner bis über die Grenzen des Möglichen ausgereizt. Ausnahmegenehmigungen für Verspätungen sind mittlerweile die Regel und haben deshalb diesen Namen nicht verdient“, sagt Sprecher Christoph Lange.
Am Frankfurter Flughafen, der „dreimal so groß und dreimal so wichtig“ sei wie der Düsseldorfer, gebe es strengere Nachtflug-Beschränkungen als hier: „Da haben Sie nach 23 Uhr Ruhe, garantiert!“
Seit 2005 gelten folgende Richtlinien: Um 22 Uhr ist Schluss. Der Airport darf aber insgesamt 33 Landungen im Jahr zwischen 22 und 23 Uhr einplanen. Nach 23 Uhr sind Ausnahmegenehmigungen bis 23.30 Uhr möglich, für die wichtigen Fluggesellschaften wie Air Berlin oder Lufthansa sogar bis 24 Uhr. Strafgebühren muss erst der bezahlen, der nach Mitternacht landen will, etwa 200 Euro pro Landung. Bei allem Wohlwollen für den Airport: Ein echtes Nachtflug-Verbot sieht anders aus. Die Folge: Jährlich kommen deutlich mehr als 1000 Jets in Düsseldorf zu spät an oder heben zu spät ab. Im letzten Jahr zählte die Bürgerinitiative 1184 Flugbewegungen in der Nacht.
Airport-Sprecher Christian Hinkel verweist auf die neueste Drei-Millionen-Euro-Investition des Flughafens, die Verspätungen bekämpfen soll: ein umfassendes „Airport Control Center“, das im Herbst 2012 an den Start geht. Zuletzt seien 1,6 Millionen Euro für ein neues Andock-System ausgegeben worden, das die Maschinen schneller an ihren Haltepunkt bringen soll. Hinkel: „Wir nehmen die Interessen der Anlieger ernst.“
Dies wird Netzwerk-Sprecher Waldemar Nowak nicht davon abhalten, nach den Ferien erneut beim NRW-Verkehrsministerium Missstände anzuprangern. Das Nachtflugverbot, sagt er, werde in den Ferien nicht nur ausnahmsweise verletzt, sondern systematisch.