Mülheim. .

Der Verfasser des Zeitungsartikels wählte deutliche Worte: Einen „ziemlich trostlosen Kasten“ nannte er den Backsteinbau. Auch die Umgebung empfand er als „nicht besonders ansprechend“. Die dortigen „nur zum Teil bestellten Schrebergärten“ mit ihren „halb zerfallenen Lauben“ seien kaum ansehnlich.

Dafür herrschte im Gebäude selbst ein moderner Geist: 400 Schüler wurden dort unterrichtet, zwei Stunden Turnen hatten sie in der Woche, die Kochschülerinnen bereiteten moderne Gerichte mit weißer Schürze und weißem Häubchen vor und Koedukation gab es gar bis zur sechsten Klasse. „Danach“, sagte Rektor Friedrich Schmidt, „hat die Trennung ihre Vorteile.“ 1964 war das.

Heute sind Schrebergärten wie Schüler verschwunden, stattdessen zog die Geschichte ein. Die Schule an der Aktienstraße wurde 1969 geschlossen. Seit 1980 ist dort Mülheims Stadtarchiv untergebracht – noch.

Im Jahr 1900 öffneten sich die Türen zum ersten Mal für Schüler. Damals hieß sie Schule an der Cleveschen Straße. Seitdem wurde sie mehrfach umbenannt, in Zinkhüttenschule, in Schlagerschule, in Schule an der Engelbertuskirche und zuletzt in Schule an der Aktienstraße. Das rote, wuchtige Bauwerk blieb äußerlich unverändert, im Inneren tat sich jedoch eine Menge.

400 Schüler im Jahr 1964

Rund 400 Schüler wurden 1964 unterrichtet, doch danach brachen die Schülerzahlen ein. 1969 drückten dort nur noch 127 Kinder die Schulbank – laut dem damals erlassenen NRW-Schulgesetz zu wenig. Das legte fest, dass jede Schule pro Jahrgang vier Klassen mit 40 Schülern benötigte, um fortzubestehen. Nur um fünf Prozent durfte diese Zahl unterschritten werden. Die Mindestzahl von 152 Schülern schien an der Aktienstraße unerreichbar. Sie war die elfte Grundschule, die aufgrund des neuen Gesetzes in Mülheim aufgelöst wurde.

Das Gebäude stand lange leer. Obwohl bereits 1972 angeregt wurde, in den Räumen ein Mülheimer Stadtarchiv einzurichten, zog es erst 1980 tatsächlich dort ein. Vorher waren die einzelnen städtischen Ämter für die Bewahrung und Überlieferung der lokalen Historie zuständig. 400 000 DM kostet der Umbau – und prompt wurde ein trostloser Kasten in der journalistischen Bewertung zu einem „ansehnlich restaurierten Baudenkmal“.

Die mit Glasbausteinen umfasste Brandschutztür hinter der braunen Eingangstür zeugt noch heute vom damaligen Zeitgeist. Auch die beige-farbenen Wände erinnern an das Jahr 1980, ebenso die zweckmäßigen Regale aus Metall, die sich schon auf den Bildern von der Einweihung finden lassen.

Modernstes Micofilmlesegerät

Die Freude, endlich ein eigenes Gebäude zu haben, war damals groß, der Stolz auf die „modernste technische Ausstattung“ mit Mircofilmlesegeräten ebenso. 30 Jahre später hat sich nicht nur die Technik weiterentwickelt, auch die Bestände sind gewachsen. „Das“, sagt Stadtarchivsleiter Dr. Kai Rawe, „hängt mit unserer Aufgabe zusammen. Der Zuwachs ist gewünscht.“ Die einstige Schule ist zu klein und der Umzug bereits terminiert. Ende des Jahres öffnet das „Haus der Geschichte“ in der ehemaligen Augenklinik.

Für die einstige Schule hat die Stadt laut deren Sprecher Volker Wiebels „keine Verwendung“ mehr. Heißt: Es wird verkauft. Die Wirtschaftsförderer von Mülheim & Business werden dies übernehmen. Als groben Zeitplan gibt Wiebels „um die Jahreswende“ vor.