Peter Thuss ist ein Freund des lauten Fernsehers. Dabei hätte er es gern leise. „Wenn das Fenster auf ist, muss ich laut drehen“, sagt er. Um die Geräusche von unten zu übertönen: Straßenlärm, Schienenlärm, seit Freitag auch Baustellenlärm. Peter Thuss wohnt direkt an der Kaiserstraße. „Die Lärmbelastung hier ist extrem“, sagt der junge Mann.
Gerade kommt er mit seinem Fahrrad vom Einkaufen nach Hause und blickt auf das Gewusel direkt vor seiner Haustür. Etwa 20 Bauarbeiter in orangen Westen, mit weißen Helmen und derben Handschuhen laufen geschäftig auf und ab, schleppen Eisenstangen, schwingen Spitz- und Vorschlaghammer.
Wo vor ein paar Tagen noch die Straßenbahn 104 und zahllose Autos über Pflastersteine zur Stadtmitte rollten, klafft ein etwa 300 Meter langes und eineinhalb Meter breites Loch im Asphalt. Die MVG erneuert die Gleise, erst Richtung Mitte, dann Richtung Flughafen. Bis Sonntagabend, 5. August, sollen die alten Schienen zwischen Kaiserplatz und und Weißenburger Straße in beiden Richtungen ausgetauscht sein. „Dafür arbeiten wir rund um die Uhr“, sagt Bauleiter Michael Heuer und lässt den Blick über die Baustelle schweifen. Es geht schnell voran. Denn nicht nur am Tag, sondern auch in der Nacht zuvor waren die Arbeiter fleißig; drei weitere Nachteinsätze sollen folgen. „Dann werden aber nur leise Arbeiten wie das Schweißen erledigt“, so Heuer. Um sieben Uhr morgens beginnt dann die reguläre Schicht.
Wohnung stand leer
Für den Baustellenlärm hat Anwohner Peter Thuss Verständnis: „Die hauen da ja richtig rein“, sagt er. Vielmehr ärgert er sich über die permanente Geräuschkulisse: „Hier ist immer Betrieb: Pkw. Lkw, Straßenbahn.“ Sowohl Schlaf- als auch Wohnzimmer liegen zur Straße hin. „Ich musste auf die Schnelle eine Wohnung finden“, erklärt der junge Mann und deutet vom Bürgersteig aus auf den zweiten Stock des Hauses Nummer 27. „Die Wohnung stand mindestens eineinhalb Jahre leer, jetzt weiß ich auch, warum.“
Die Lärmbelastung für Anwohner soll sich nun aber ändern: „Die Gleise waren verschlissen, deshalb werden sie ausgetauscht“, erklärt Nils Hoffmann, Sprecher der MVG. Neue Gleise mit ebenem Profil seien wesentlich leiser als eine abgefahrene Strecke mit welligem Profil. Um etwas mehr Ruhe in den Straßenbahnverkehr zu bringen, würden Schienen und Bahnräder regelmäßig abgeschliffen. „Rundes Rad und glatte Schiene bringen Ruhe“, fasst Hoffmann kurz zusammen. Da das Gleis-Sollprofil von vier Zentimetern auf der Kaiserstraße abgefahren ist und es deshalb nichts mehr zu schleifen gibt, bleibt nur der Austausch. Und weil die MVG schon mal zugange ist, ersetzt sie die holprigen Pflastersteine im Schienenbereich durch eine glatte Asphaltdecke. Das ist Teil des städtischen Lärmaktionsplans, der gesundheitsgefährdenden Lärm Schritt für Schritt den Kampf ansagen will.
Zeitweiliger Baustellenlärm für langfristige Lärmminderung also. Aber nicht alle Anwohner haben dafür Verständnis. Eine von ihnen ist Nina Giesen: „Es ist eine totale Katastrophe“, sagt die junge Frau, während sie via Fußgängerampel die Baustelle überquert, in der Bauarbeiter gerade Hammer auf Eisen schlagen und ein paar Meter entfernt tausende Funken beim Schweißen durch die Luft fliegen. Seit Tagen könne sie nicht richtig schlafen, durch die Fenster ihrer Altbauwohnung höre sie alles. „Das ist eine totale Beeinträchtigung!“ Der alltägliche Verkehrslärm hingegen stört sie weniger: „Damit muss man rechnen, wenn man hier wohnt, man gewöhnt sich daran.“
Nicht daran gewöhnen jedoch kann sich Anwohnerin Melanie Marx, die gerade mit ihrem fünfjährigen Sohn Joel Pascal einkaufen gehen will. „Hier ist es generell sehr laut“, sagt die junge Mutter. Vor zwei Jahren ist sie in die Kaiserstraße 52 gezogen – „das war eine Notlösung“. In der damaligen Situation sei ihr der Lärm egal gewesen, nun steht ihr Entschluss fest: „Ich will wegziehen.“
Darüber denkt auch Peter Thuss nach. „Wenn ich gewusst hätte, wie laut es hier ist, wäre ich nicht hierher gezogen.“ Dass seine Ohren durch die Gleiserneuerung in Zukunft etwas geschont werden, daran glaubt er nicht: „Dadurch wird es vielleicht etwas leiser“, sagt er. „Aber weniger Autos werden dadurch ja nicht fahren.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.
