Mülheim. .

An diesem vorolympischen Tag goss es wie aus Kübeln. Land unter hieß es am Badminton-Spitzensportzentrum an der Südstraße, nichts wurde es aus dem geplanten Freilufttermin.

„Very british“, meinte Birgit Michels, Mülheims Olympionikin, die ab Samstag in der für großen Sport und mitreißende Atmosphäre stehenden Wembley Arena an der Seite ihres Mixed-Partners Michael Fuchs aufschlagen wird. „Dann gehen wir halt ins nahe gelegene Café“, meinte die passionierte Kaffeetrinkern und zog die Kapuze entschlossen über den Kopf. Einen Tearoom in Reichweite gab die Stadt nicht her. Den wird die 27-jährige Spitzenspielerin an den bewegten Olympiatagen in der britischen Metropole London ausmachen.

Die Tage vor dem Abflug am Montag waren dermaßen rasant verstrichen, dass sich die in der Bundesliga für den 1. BC Beuel spielende Mülheimerin dieser Schnelligkeit gar nicht recht bewusst war. „Was, das Pressetreffen im Leistungszentrum ist schon wieder zwölf Tage her. Und bis London ist es wirklich nicht mehr lang.“ Die Zeit eilte, weil sie ausgefüllt war. In Dänemark war eine mehrtägige Trainingsmaßnahme anberaumt: Sparring auf höchstem Niveau mit den europäischen Spitzen-Mixedpaarungen, die man alsbald im handverlesenen olympischen 16-er-Feld wiedersehen wird. „Das war von uns okay. Es war wichtig, wieder Matchpraxis zu bekommen“, so die gebürtige Kölnerin, die jüngst an einer Fußverletzung laboriert hatte. Diese Sorge war nicht im Olympiagepäck.

Stabsunteroffizierin

Zudem schaute sie in Köln beim Arbeitgeber Bundeswehr herein und fuhr nach Frechen, wo sie mit Ehemann Thorben lebt. Der ist für die Athletin, die viele Wochen im Jahr auf allen Kontinenten am Federball ist, der große Halt, die unverzichtbare Rückendeckung. „Wir kennen uns schon lange Jahre, er ist der Bruder meiner besten Freunde, seit Ende 2010 sind wir verheiratet. Seine Toleranz ist ganz, ganz wichtig für mich. Er ist aber auch stolz wie Oskar auf mich.“

Im deutschen Tross zählt die Sportsoldatin im Rang des Stabsunteroffiziers, die im zarten Alter von vier Jahren Freundschaft mit dem so schnell und elegant daherkommenden Badmintonsport Freundschaft schloss, zu den „Wiederholungstätern“. Bereits 2008 in Peking gehörte sie zu den Auswählten und erinnert sich an das Feuerwerk der Farben bei der Eröffnungsfeier. „Als wir durch den Tunnel einmarschierten, war das einfach nur Gänsehaut. Das kann man gar nicht beschreiben.“

Eine Fortsetzung wird indes nicht folgen. Weil es bereits am Samstag ins Turnier geht, ist die spektakuläre Ouvertüre gestrichen. „Schade, dem Michael hätte ich dieses Erlebnis von Herzen gegönnt“, meint die Frau, die ohnehin die Herzlichkeit verinnerlicht hat. Mixed-Partner und Olympia-Debütant Fuchs weiß, wo der Fokus hingehört und nimmt die Dinge, wie sie sind: „Ich arbeite doch nicht jahrelang auf dieses Ziel hin, um mir am Abend vorher stundenlang die Beine in den Bauch zu stehen.“

In Peking war nach 27 Minuten Schluss

Vor vier Jahren bei den Spielen im Reich der Mitte musste sich Birgit Michels, die seit 2005 in Mülheim wohnt, wie bei Kurzfilm-Festspielen vorkommen. An der Seite von Kristoff Hopp dauerte der sportliche Auftritt ganze 27 Minuten. Immerhin gab es einen Trost frei Haus: Die Gegner aus Indonesien drangen später bis ins Halbfinale vor. Das Unternehmen London gestaltet sich dagegen als ungleich zeitintensiverer Mehrteiler. Drei Matches sind den DBV-Assen in einer ungemein schweren Vierer-Gruppe, in der die beiden ersten Paarungen weiterkommen, gewiss.

Am Samstag, 18.30 Uhrt, geht es in der Wembley Arena gleich zur Sache, wenn Michels/Fuchs mit dem Hochadel der Badminton-Szene konfrontiert werden: Die Chinesen Zhang Nan und Zhao Yunlei haben die britsche Insel als Weltranglistenerste betreten und nehmen, Ehre, wem Ehre gebührt, beim Streben nach dem ultimativen Ritterschlag Setzplatz eins ein. Respekt? „Ja.“ Angst? „Keine. Im Mixed kann jeder jeden schlagen. Das ist ein taktisches Spiel. Wenn du es schaffst, dein Ding durchzuziehen, dann hast du auch gegen Bessere eine Chance“, so Michels, die weiß, wem sie viel zu verdanken hat: Boris Reichel, DBV-Trainer, Coach des 1. BV Mülheim und Ehemann der älteren Schwester Petra, die für den hiesigen Bundesligisten im Einsatz ist.

Die England-Reisende aus Mülheim wird auch in London, so es die Ticket-Lage gestattet, andere Sportarten live verfolgen. „In Peking war das gewonnene Finale unserer Hockey-Herren ein Riesenerlebnis.“ Ebenso das Autogramm des spanischen Tennisstars Rafael Nadal, der von Birgit Michels und ihrer Nationalteamkollegin Juliane Schenk kurzerhand auf der Straße angesprochen wurde. „Vielleicht klappt es diesmal ja mit Roger Federer“, heißt es. Wie auch immer, der Wonnesommer geht weiter. Am 18. August wird kirchlich geheiratet, danach auf den Malediven geflittert.