Mülheim. . Rund um die Easy Software AG aus Mülheim entspinnt sich ein regelrechter Wirtschaftskrimi. Gegen den Aufsichtsratvorsitzenden der Unternehmensgruppe, Manfred A. Wagner, gibt es schwere Vorwürfe - unter anderem wegen millionenschwerer Untreue. Wagner bestreitet die Vorwürfe.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Mülheimer Easy Software AG, Manfred A. Wagner, ist vor deren Hauptversammlung am 26. Juli mächtig unter Druck. Gegen den Geschäftsmann mit schwer zu überblickender Unternehmensgruppe (5000 Mitarbeiter), der schon in einem Frankfurter Ermittlungsfall unter Verdacht millionenschwerer Untreue steht, erheben nun die Easy-Gesellschafter schwere Vorwürfe. Sie beinhalten den Verdacht, Wagner habe der Mülheimer AG erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt. Wagner weist alle Vorwürfe zurück.
Wie berichtet, ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft seit April gegen ehemalige Topmanager der Deufol AG (Az 7210 Js 216358/12). Strafanzeige hatte der Konzern aus dem hessischen Hofheim, nach eigenen Angaben Weltmarktführer für Industriegüterverpackungen, selbst gestellt. Als Hauptbeschuldigter gilt Wagner. Neben ihm sind dessen enger Vertrauter und Syndikus Wolfgang Glücks und weitere Manager angezeigt. Das Verfahren sorgt für große Aufmerksamkeit auch in der MEO-Region. Wagner, Unternehmer aus Essen mit Firmensitz in Oberhausen, ist Vorsitzender des dreiköpfigen Aufsichtsrates der Easy Software AG, Glücks besetzt dort einen zweiten Posten.
Verdacht der Untreue
Die Deufol AG wirft Wagner, dem ehemaligen Geschäftsführer ihres Tochterunternehmens Deufol Tailleur GmbH, und anderen Topmanagern ihres Hauses vor, in den Jahren 2006 bis 2011 „Handlungen zum erheblichen Nachteil der Deufol Gruppe vorgenommen“ zu haben. Vorgeworfen sind ihm Untreue, Betrug und Bestechung anderer Beschuldigter, um sie gefügig dafür zu machen, zu Lasten der Deufol AG und für seine eigenen Wirtschaftsinteressen außerhalb der AG zu agieren.
Die Deufol AG macht Schadenersatzansprüche auch zivilrechtlich vor dem Landgericht Frankfurt geltend. Die zu fordernde Schadenersatzsumme belaufe sich nach derzeitigem Stand insgesamt auf rund 26,4 Mio. Euro. Wie viel Schadenersatz es von Wagner fordern will, gab das Unternehmen nicht bekannt. Wie berichtet, bestreitet Wagner das ihm unterstellte kriminelle Handeln vollumfänglich. Die Vorwürfe entbehrten „jeder Grundlage“.
Anstiftung zur Untreue
In Essen hat er im Juni 2011 selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, um einem Untreueverdacht bei der Easy Software AG anzuzeigen. Unlängst hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben gegen den Ex-Vorstandsvorsitzenden Neuhaus, gegen drei Geschäftsführer der mittlerweile insolventen Software-Entwicklungsfirma sbr health it aus Gladbeck sowie eine weitere, der WAZ nicht bekannte Person.
Dem Ex-Vorstand wird in 22 Fällen Untreue zu Lasten der Easy Software AG und in 34 Fällen Anstiftung zur Untreue in Tateinheit mit Bankrott der Firma sbr health it vorgeworfen. Mit Hilfe von Scheinrechnungen soll die sbr health it unter anderem Geld für eine Software-Entwicklung von „Easy“ abgezweigt haben, obwohl die Software gar nicht entsprechenden Leistungsumfängen genügt habe. Davon soll Neuhaus profitiert haben.
Neuhaus bestreitet, sich strafbar gemacht zu haben, ließ er gestern von seinem Anwalt mitteilen. „Bei den Rechnungen handelt es sich nicht um Scheinrechnungen. Vielmehr ist die Softwareentwicklung angemessen von Easy bezahlt worden. Die Frage der Angemessenheit muss erforderlichenfalls im Gerichtsverfahren durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden.“ Soweit Neuhaus Gelder von sbr health it erhalten habe, handele es sich um Darlehen, die größtenteils zurückgezahlt seien.
Rechtsanwalt soll bestellt werden
Benannte Software wird nun auch für den Aufsichtsratsvorsitzenden Wagner zum heißen Thema bei der Easy-Hauptversammlung Ende Juli. Als Aktionäre fordern zwei Fondsgesellschaften eine Sonderprüfung. Eine externe Wirtschaftsprüferin soll, sofern die Hauptversammlung mehrheitlich zustimmt, Geschäfte mit Wagner-Firmen oder von ihm kontrollierten Unternehmen aufspüren, die nicht als Geschäfte mit nahestehenden Personen ausgewiesen worden sind. Auch soll schon ein Rechtsanwalt zur Prüfung und Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Vorstand und Aufsichtsrat bestellt werden.
Benannt ist ausdrücklich der Vertrag zur besagten Software-Entwicklung zwischen „Easy“ und der sbr health it. Die antragstellenden Aktionäre bemerken kritisch, dass Wagner zwischenzeitlich selbst Gesellschafter der sbr health it gewesen sei. Schadenersatz sei auch deshalb geltend zu machen, weil die mit 1,2 Mio Euro abgeschriebene Software kostenlos der Baumann Technologie GmbH zur Verfügung gestellt worden sei und mittlerweile von dieser vertrieben werde. Gesellschafter der Baumann Technologie: ebenfalls der Easy-Aufsichtsratsvorsitzende und Hauptgesellschafter Wagner.
Hohe Vorschusszahlungen
Dieser ließ gestern über seinen Anwalt eine Stellungnahme versenden. Darin bekräftigt er seine Auffassung, die zur Strafanzeige gegen Ex-Vorstand Neuhaus geführt hat. Im Frühjahr 2011 sei bei einer Prüfung aufgefallen, dass Easy „regelmäßige hohe Vorschusszahlungen in fünfstelliger Höhe“ an die sbr health it geleistet, hierfür aber „keine entsprechende Gegenleistung“ erhalten habe. Die Software sei zu dem Zeitpunkt, als die sbr health it in die Insolvenz gezogen worden sei, für Easy „unbrauchbar“ gewesen. Unzutreffend sei ferner, dass die Software an die Baumann Technologie GmbH weitergegeben worden sei.
Besagte Aktionäre sehen für weitere Geschäftsbeziehungen von „Easy“ zu vier Firmen, die von Wagner kontrolliert werden, mögliche Schadenersatzansprüche aufgrund nicht marktüblicher und überhöhter Konditionen. Drei von ihnen sind auch in der Strafanzeige der Deufol AG in Frankfurt benannt. Auch hierzu nahm Wagner über seinen Rechtsbeistand Stellung: In einem Fall sei bei den Geschäften „kein Schaden“ für die Easy Software entstanden, in einem anderen seien entsprechende Verträge „zu üblichen, marktangemessenen Konditionen abgeschlossen“ worden.
Hauptversammlung verspricht Spannung
Die Hauptversammlung am 26. Juli in der Stadthalle verspricht Spannung. Auch weil kritische Aktionäre mit einer beantragten Aufstockung des Aufsichtsrates von drei auf sechs Mitglieder offensichtlich ein Gegengewicht zur Dominanz von Wagner & Co. installieren wollen.
Ein überraschendes Angebot zur Übernahme von 75 % der Gesellschaftsanteile an der Easy Software AG unterbreitete den Aktionären dieser Tage derweil die Münchner Allgeier Holding SE.
Keine näheren Bedingungen mitgeteilt
Am 3. Juli haben Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten IT-Unternehmensgruppe entschieden, den Easy-Aktionären ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot zu unterbreiten. Das Angebot je Stückaktie liegt bei 4,00 Euro in bar – und liegt damit unter dem gestrigen Börsenschlusswert von 4,01 Euro. Allgeier knüpft sein Angebot aber daran, am Ende Aktien im Wert von 75 % des existierenden Grundkapital der „Easy“ übernehmen zu können. Nähere Bedingungen will die Holding noch mitteilen.
„Beide Partner würden von der Übernahme profitieren“, heißt es in einer Mitteilung von Allgeier. Sie zählten beide zu den marktführenden Software-Anbietern im deutschen Bereich des Enterprise-Content-Management, ergänzten sich dazu durch unterschiedliche Schwerpunkte ideal. Eine Bündelung des Geschäftes verspricht laut Münchner Holding ein „deutliches Umsatz- und Ergebnispotenzial“. Allgeier zählt 2500 angestellte Mitarbeiter und rund 1500 freiberufliche IT-Experten. Die Gruppe unterhält nach eigener Angabe mehr als 50 deutsche und 23 internationale Niederlassungen.