Mülheim. . Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt weiter wegen möglicher Untreue bei der Mülheimer Easy Software AG. Angezeigt ist ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe bei der Deufol AG. Das Verfahren steht kurz vor dem Abschluss.
Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Essen zum Vorwurf der möglicherweise millionenschweren Untreue bei der Mülheimer Easy Software AG steht mit einiger Verzögerung nun doch vor dem Abschluss. Die Ermittlungsbehörde fertigt zurzeit eine Anklageschrift. Beschuldigt sind der Ex-Vorstandsvorsitzende von Easy, sowie vier weitere Personen, darunter drei ehemalige Geschäftsführer eines mittlerweile insolventen SAP-Dienstleisters aus Gladbeck.
In der Belegschaft im Easy-Tower am Hauptbahnhof, so berichten Insider, herrscht große Unruhe. Auch weil Hauptgesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender Manfred A. Wagner in Frankfurt im Visier von Ermittlern ist. Vorwurf auch hier: Untreue – angezeigt ist ein Schaden in zweistelliger Millionenhöhe bei der Deufol AG, für deren Tochterfirma Wagner bis zu seiner außerordentlichen Kündigung als Geschäftsführer fungierte.
Millionenschaden bei Easy
Rückblende. Mit einer für börsennotierte Unternehmen verpflichtenden Ad-hoc-Meldung teilt der Vorstand der Easy Software AG am 28. Juni 2011 mit, dass die Staatsanwaltschaft Essen Ermittlungen wegen des Verdachts der Untreue gegen den Easy-Vorstandsvorsitzenden eingeleitet und der Aufsichtsrat des Unternehmens ihn am Tag zuvor mit sofortiger Wirkung abberufen habe.
Aufsichtsratsvorsitzender Manfred A. Wagner, mit knapp 27 % gleichzeitig Hauptanteilseigner der Easy Software AG, spricht zu diesem Zeitpunkt gegenüber der WAZ von einem „Schaden deutlich im hohen sechsstelligen Bereich“, den der Vorstandsvorsitzende dem Unternehmen in den Jahren 2009 und 2010 zugefügt habe. Die AG meldet Ende August 2011 eine Sonderabschreibung von 1,2 Mio. Euro „auf fremd bezogene Software“.
Jenes unterstellte System der Untreue, so Wagner damals, sei „über Außenstehende gelaufen“. Es habe Geldtransfers aus dem Hause Easy Software an eine andere Firma gegeben, die die entsprechende Leistung dafür nie abgeliefert habe. Mit Hilfe von gestückelten „Scheinrechnungen“ sei auf diese Weise Geld von der Easy Software AG abgezweigt worden. WAZ-Recherchen ergaben zwischenzeitlich, dass die Gladbecker IT-Beratungsgesellschaft sbr health-it jene Partnerin gewesen sein soll. Ihre drei ehemaligen Geschäftsführer gelten im Ermittlungsverfahren wie eine weitere unbekannte Person als Beschuldigte.
Firma aus Gladbeck im Visier
Für jene „sbr health-it“ wurde am 16. September 2011 die Insolvenz bekannt gemacht. Laut ihrem Insolvenzverwalter besteht die Firma mittlerweile nur mehr auf dem Papier. Als Geschäftsführer ist ein Dortmunder angegeben, der Sohn eines ehemaligen Aufsichtsrates der Easy Software AG. Zu Inhalten des Insolvenzverfahrens gibt der Verwalter mit Verweis auf das laufende Ermittlungsverfahren öffentlich keine Auskünfte.
WAZ-Recherchen ergaben, dass der geschasste Easy-Vorstandsvorsitzende, aber auch Easy-Aufsichtsratsvorsitzender Manfred A. Wagner über seine in Oberhausen firmierende Beteiligungsmanagementgesellschaft IPM zwischen August 2008 und April 2011 selbst das Sagen bei der „sbr health it“ hatten. Gemeinsam hielten sie in dieser Zeit gut 57 % der Stammeinlage der GmbH. Zweieinhalb Monate nach ihrem Ausstieg als Gesellschafter ging die Strafanzeige gegen den Vorstandsvorsitzenden bei der Staatsanwaltschaft in Essen ein.
Derweil ist Easy-Aufsichtsratsvorsitzender und Hauptgesellschafter Manfred A. Wagner selbst ins Visier von Ermittlern geraten, allerdings in Frankfurt/Main. Dort sieht nun er sich dem Vorwurf der Untreue ausgesetzt. Strafanzeige gegen Wagner, dessen Syndikus und drei weitere Personen hat das Verpackungsunternehmen Deufol AG am 4. April gestellt. Der Konzern aus dem hessischen Hofheim wirft Wagner, der deutschlandweit an mehreren Dutzend Firmen beteiligt ist, als Hauptbeschuldigtem Untreue und Bestechung in seiner Funktion als Geschäftsführer der Deufol Tailleur GmbH vor. Der vermeintliche Schaden wird insgesamt auf eine Summe im „niedrigen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich“ taxiert.
Strafanzeige der Deufol AG
„Die Ermittlungen sind eingeleitet“, so ein Sprecher der Frankfurter Behörde. Manfred A. Wagner lässt sich in der Ermittlungssache vom renommierten Rechtsanwalt Gernot Lehr vertreten, der zuletzt als rechtlicher Beistand des Ex-Bundespräsidenten Christian Wulff in der Öffentlichkeit stand.
Gestern Mittag kam Lehr der Aufforderung der WAZ zur Stellungnahme zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten Wagner in drei Sätzen nach: „Die von der Deufol AG erhobenen Vorwürfe entbehren jeder Grundlage und werden widerlegt werden. Sie dürften als untauglicher Ablenkungsversuch von eigenen unternehmerischen Fehlentscheidungen einzuordnen sein. Unsere – unternehmerisch hingegen sehr erfolgreichen – Mandanten werden sich jedoch an einer solchen öffentlichen Auseinandersetzung nicht beteiligen und gelassen den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abwarten.“
Die Essener Staatsanwaltschaft bestätigte der WAZ Ende vergangener Woche, dass sie ein Verteidiger im Verfahren Easy Software aufgefordert hat, die Frankfurter Akten in ihre Ermittlungen einzubeziehen. Dies habe der zuständige Dezernent jedoch abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft werde sich auf den Fall Easy Software beschränken. Dort zähle Manfred A. Wagner nicht zu den fünf Beschuldigten. Eine Anklage gegen das Quintett sei in der Anfertigung. Allerdings warte man noch auf „einen Komplex der Steuerfahndung“, den man in die Anklage aufnehmen wolle.