Mülheim. .
Fast hätte man meinen können, dass Stephen Kovacevich sein Konzert im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr den großen „Bs“ der Musikgeschichte widmen würde, standen doch Werke von Ludwig van Beethoven im Mittelpunkt. Zudem wurde der Abend in der Stadthalle mit Johann Sebastian Bach eröffnet, doch mit dem Romantiker Robert Schumann durchbrach Kovacevich die Reihe der „Bs“.
Stephen Kovacevich versprüht einen etwas kauzigen Charme: Während des Musizierens brummt er oft mit röchelndem Bass die Melodien, was besonders das Publikum in den ersten Reihen irritiert haben dürfte. Ungewöhnlich ist auch sein extrem niedriger Klavierhocker, der dafür sorgt, dass sich die Tastatur in Brusthöhe des Pianisten befindet. Kovacevich vermittelt so, trotz schwarzer Kleidung und grauer Haare, den optischen Eindruck eines staunenden Kindes am Klavier.
Langsame Sätze ragen heraus
Bei seinem Streifzug durch Barock, Klassik und Romantik ragen besonders die langsamen Sätze heraus: Die Allemande aus der Partita Nr. 4 in D-Dur BWV 828 spielt er geradezu andächtig, ebenso das Adagio molto aus Beethovens Sonate Nr. 5 c-Moll oder den Beginn dessen Sonate Nr. 31 As-Dur. Mit einfachen Mitteln zaubert Kovacevich klangliche Schönheit.
In den schnellen Sätzen wirkt der US-Amerikaner jedoch unkonzentriert, sein Spiel manchmal sogar holperig. In der Ouvertüre der Bach-Partita purzeln dem Hörer die Einzelstimmen entgegen, verbreiten hektische Unruhe und lassen die Komposition in Einzelteile zerfallen. Abgerundet und ausbalanciert sind die Instrumentalstimmen hier nicht.
Mit einer zarten Sarabande oder einem eleganten Menuett fasziniert Kovacevich dann wieder. Wenn er die finale Gigue mit dem Überschwang musiziert, wie die abschließende Fuga in Beethovens A-Dur-Sonate, zeigt er auch Beziehungen auf. Zumal er Beethovens Stimmengeflecht genauso beiläufig beginnen lässt wie in Bachs Präludium und Fuge cis-Moll BWV 849, um es dann sanft anschwellen zu lassen.
In den Allegro-Sätzen der beiden Beethoven-Sonaten zeigt er den Komponisten als frischen Stürmer und Dränger. Kovacevich überrascht mit plötzlichen Tempowechseln und rasanten Beschleunigungen. Hart setzt er Akzente.
Romantisches Zwischenspiel
Für ein romantisches Zwischenspiel sorgten die Kinderszenen op. 15 von Robert Schumann. Zwischen den 13 Miniaturen setzt Stephen Kovacevich oft keinen Moment des Atemholens, so dass eine geschlossene musikalische Einheit entsteht. Die vielen Stimmungsumschwünge erscheinen als wechselhafter Gedankenfluss. Die berühmte „Träumerei“ spielt der Pianist wiederum ganz beiläufig, verweigert sich so dem sentimentalen Klischee dieses Stückes.
Der Beifall des Mülheimer Publikums war intensiv, aber nicht überschwänglich. Stephen Kovacevich bedankte sich mit einer Beethoven-Zugabe.