Mülheim. .

Kunst erobert sich zunehmend mehr den Stadtraum, geht dorthin, wo die Menschen leben, eine Gesellschaft im Umbruch und auf der Suche danach ist, wie die Zukunft aussehen kann: in der Außensicht und der Innenschau. Die Eichbaumoper, performative Stadtrundgänge und Schlimm City sind einige Beispiele dafür. „Ich glaube“, sagt Holger Bergmann, „dass es im Kern bei all den Projekten darum geht, wie erfindet man heute darstellendes Spiel neu, in der Stadt verortet, aber mit einer Bedeutung, die nicht nur auf den Stadtraum bezogen ist“, so der Künstlerische Leiter Ringlokschuppen.

Den Stadtraum als Möglichkeitsraum für die Bühne entdecken. Überörtlich haben das Gruppen wie Rimini Protokoll oder der Autor und Regisseur René Pollesch viel beachtet praktisch erprobt. Beide kommen vom „Institut für Angewandte Theaterwissenschaften“ in Gießen. Dort promovierte und studierte auch der norwegische Regisseur Tore Vagn Lid, der mit seiner Auseinandersetzung von Brechts „Maßnahme“ 2008 bei den Salzburger Festspielen für Aufsehen sorgte.

Theater-Tage im Ringlokschuppen

Doch was hat das mit dem Ringlokschuppen zu tun? Brechts „Fatzer“ ist die Brücke. Seit 2008 widmet man sich in Mülheim dem Fragment der Geschichte um die Deserteure, die von der Front des Ersten Weltkrieges flüchteten und in Mülheim Unterschlupf fanden, in verschiedenen Formen und Genres.

Beim größten Mehrsparten-Festival in Norwegen, dem „Nordiske Impulser Festival“, zeigte Vagn Lid kürzlich seinen „Fatzer“. „Ein temporeicher, hinreißend getimter, packender Abend“, so „Nachtkritik.de“. Als deutsche Erstaufführung kommt die skandinavische Variante der Revolutionsgroteske am 22. und 23. Juni nun auf die Bühne in Mülheim: Anlass sind die zweiten Mülheimer Fatzer-Tage im Ringlokschuppen. Damit schließt sich wiederum der Kreis zu René Pollesch, Schauspieler Fabian Hinrichs und dem Stück „Kill your Darlings! Streets of Berladelphia“.

Alfred-Kerr-Preis für Fabian Hinrichs im Pollesch-Stück

Eine „Arbeit, die durch das Fatzer-Fragment inspiriert ist“, so Bergmann. Zu sehen ebenfalls am 22. und 23. Juni im Lokschuppen. Der Alfred-Kerr-Darstellerpreis ist gerade an Fabian Hinrichs für seine Solo-Rolle im Pollesch-Stück gegangen. Leider musste die Aufführung, die auch zu den diesjährigen Mülheimer Theatertagen eingeladen war, wegen Erkrankung des Schauspielers abgesagt werden. Im Juni gibt’s also noch mal die Chance, „Kill your Darlings!“ live auf der Bühne in Mülheim zu sehen.

Eigene, neue künstlerische Wege zu gehen – im Stadtraum oder sonstwo, darin bestärkt der Ringlokschuppen junge Gruppen der freien Szene. Mit Koproduktionen oder als „Künstler in Residence“: Copy & Waste, kainkollektiv und Ligna zählen dazu.

Neues Label "Sturmfrei" für junge Gruppen

„Letztendlich geht es uns auch um Nachwuchsförderung.“ Das neue Label „Sturmfrei“ signalisiere ein offenes Haus für junge Gruppen. Mit zukunftsnahen Projekten, die praktisch einhergehen könnten mit innovativen Theater-Studien.

SchlimmCity

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Zwei Lehraufträge, wo es um künstlerische Transformationsprozesse im urbanen Raum geht, hat Bergmann an der Hochschule Niederrhein sowie an der Ruhr-Uni Bochum beim neuen Master-Studiengang „Szenische Forschung“ im Sommersemester. Diese Entwicklung begrüßt Bergmann. Was für die Arbeit des Lokschuppens spricht.

Zweite Mülheimer Fatzer Tage“ gibt’s vom 22. bis zum 24. Juni im Schuppen: drei Inszenierungen, Symposium.

René Pollesch, Kill your Darlings! Streets of Berladelphia (22., 23.6., 20 Uhr)

Tore Vagn Lid, Fatzer (22., 23.6., 17.30 Uhr)

Ligna, Wessen Stadt ist die Stadt? Aufstand (23.6., 15 Uhr)