Mülheim. Das Theaterkollektiv „Copy & Waste“ gastiert als feste Gruppe am Ringlokschuppen. Sie sind Künstler „in Residence“
Das Berliner Theaterkollektiv „Copy & Waste“ wird sich im Herbst als feste Gruppe „in Residence“ für zwei Jahre am Ringlokschuppen etablieren und in dieser Zeit dort vier Stücke produzieren. Ermöglicht wird dies durch eine Förderung der Bundeskulturstiftung im Rahmen des Projektes „Doppelpass“, das die Kooperation zwischen freien Gruppen und Theatern, die auch zur freien Szene gehören können, unterstützt. Laut Matthias Frense vom Ringlokschuppen wurden von 70 Anträgen 17 Teilnehmer ausgewählt. Die Kulturstiftung fördert dieses zweijährige Projekt mit 150 000 Euro, hinzu kommt noch einmal ein Co-Finanzierung in gleicher Höhe durch andere Quellen.
Bekannt ist „Copy & Waste“ dem Mülheimer Publikum bereits durch das Stück „Orlacs Handout“, das im Schuppen vier Mal gezeigt wurde. Schon der Titel macht ein Prinzip der Gruppe deutlich: Autor Jörg Albrecht und Regisseur Steffen Klewar greifen immer auf bestehende Kunstwerke zurück – in diesem Fall der Stummfilmklassiker „Orlacs Hände“ --, kopieren Teile und stellen es verfremdet in einen anderen Zusammenhang. Akustisch ist der Name „Copy & Waste“ so nahe dran am Guttenberg-Prinzip, tatsächlich aber ist die Truppe sehr eigenwillig und eigenständig. Der Musiker Matthias Grübel, der kürzlich mit „Telekaster“ auftrat, zählt ebenfalls zur fünfköpfigen Stammbesetzung.
Maximal zehn Personen können dort wohnen
Da das Theaterkollektiv längerfristig in Mülheim wohnt und sich für die Produktionen auch intensiver mit der Stadt auseinandersetzen will, war es sinnvoll und wirtschaftlich, eine Wohnung anzumieten.
„Wir haben außerdem an 45 Wochenenden Gastspiele und Koproduktionen im Haus“, sagt Matthias Frense vom Ringlokschuppen. Maximal zehn Personen können in der 100 Quadratmeter großen Wohnung an der Schloßstraße mit Blick auf den Rathausturm wohnen. Die Einrichtung konnte zum überwiegenden Teil beim Diakoniewerk Arbeit und Kultur beschafft werden.
Noch in diesem Monat ist „Copy & Waste“ mit „Die blauen Augen von Terence Hill“ zu erleben, das am Theaterhaus Jena uraufgeführt wurde. Es geht um Hartz IV und soziale Perspektiven. In den Kultfilmen mit Terence Hill und Bud Spencer hatten beide auch nie einen richtigen Job und schlugen sich im wahrsten Sinne des Wortes durch das Leben, wobei sie am Ende dem größten Schurken das Handwerk legten. In einem Freizeitpark für Arbeitslose werden dann alle Themen und Klischees durchgespielt. Dabei kommen auch Thilo Sarrazin und RTL-Schuldnerberater Peter Zwegat zu Wort, denn der Ansatz ist immer auch deutlich dokumentarisch.
Eine Aussicht auf die Zukunft
Zu sehen ist das am 27. und 28. April. Bereits am 20. April liest der mehrfach ausgezeichnete Jörg Albrecht (Jahrgang 1981), der als angesagter Pop-Literat gilt, aus seinem dritten Roman, den er kürzlich bei der Lit Cologne vorgestellt hat und der auch Bezug zur Trivialkultur nimmt: „Beim Anblick des Bildes vom Wolf“. Er nennt ihn einen Werwolf-Stadtroman, der allerdings nicht den klassischen Gesetzmäßigkeiten des Erzählens folgt.
In einem der vier Ruhrgebiets-Projekte soll aus ferner Zukunft der Blick zurück auf die Ruhrstadt geworfen werden. Das Zusammenwachsen der Städte erscheint vor dem Hintergrund aus Versatzstücken aus „Mad Max 3“ als Utopie, die aber gescheitert ist. Dann wird Ursachenforschung betrieben.
Für ein weiteres Projekt steht der erste Roman von Thomas Pynchon als Projektionsfläche bereit. Pynchon gilt als der große Unbekannte der Literaturwelt und jemand, der als früher Vertreter der Postmoderne schnell die unterschiedlichen Erzählebenen und -perspektiven wechselt. „V“ handelt von der Suche nach einer Frau, wobei eine Biografie entsteht. Das Theaterkollektiv ist auf der Suche nach einem Ort. Welcher, das ist, ist noch nicht klar – es soll einer sein, der Spuren von Leid aufweist. Darüber soll mit Politikern, dem City-Marketing und anderen gesprochen werden.
Klewar und Albrecht haben beide mehrere Jahre im Ruhrgebiet gelebt, kennen es gut und nähern sich den Themen jetzt mit einem distanzierten Blick. „Räume sind ganz wichtig, weil sie etwas mit uns machen, mich verändern. Deshalb ist es so wichtig, in welchem Viertel und Haus wir leben“, sagt Klewar. Jetzt beginnt die intensivere Auseinandersetzung mit der Stadt. „Wir haben auch schon eine Radtour in den Uhlenhorst unternommen“, erzählt Albrecht. „Auch dort lebt eine interessante Randgruppe.“