Mülheim. .

Wohin steuert die CDU? In Mülheim schrumpfte sie noch stärker als anderswo, minus zehn Prozent. Mancher Kreisvorsitzende reiste nach Berlin zur Kanzlerin, im Gepäck die Enttäuschung und den Unmut der Basis. Der Mülheimer Kreisvorsitzende Andreas Schmidt wählte diesen Weg nicht.

Sie hätten in Berlin der Kanzlerin die Meinung sagen können?

Schmidt: Der Kostenaufwand für ein so kurzes Treffen war mir zu hoch. Das Geld habe ich lieber für die Partei gespart. Es gibt andere Wege, Niederlagen aufzuarbeiten.

Wie ist denn drei Wochen nach dem Wahldebakel die Stimmung in der CDU Mülheim?

Schmidt: Es gibt natürlich eine große Unzufriedenheit, und es gibt den Bedarf nach einer Analyse, nach einer Ursachenforschung, wie so ein Absturz möglich war. Viele fragen sich auch: Wie geht es jetzt weiter mit der CDU?

Und welche Antwort haben Sie als Kreisvorsitzender darauf?

Schmidt: Wir wollen noch vor dem Landesparteitag Ende Juni den designierten Landes-Chef Armin Laschet nach Mülheim holen und mit ihm darüber reden. Machen wir uns nichts vor, nach so einem desaströsen Ergebnis muss sich die CDU fragen, ob sie im Ruhrgebiet überhaupt noch Volkspartei sein kann. Wir brauchen Antworten darauf, wie wir wieder breitere Wählerschichten ansprechen wollen, junge Leute, Frauen.

Sie haben nicht einmal mehr die Stammwähler erreicht.

Schmidt: Klassische Stammwähler gibt es doch fast nicht mehr. Das spürt auch die SPD. Man konnte auch früher mal fünf Prozent verlieren, aber nicht 10, 15 Prozent.

Ist es ein Nachteil, wenn es diese festen Bindungen nicht mehr gibt?

Schmidt: Ich finde, dass dadurch Demokratie instabiler geworden ist. Der Wähler experimentiert viel mehr mit seiner Stimme als in früheren Jahren. Er straft schneller ab, und das mitunter eben sehr stark. Das ist auch Ausdruck einer steigenden Unzufriedenheit mit der Politik.

Womit erklären Sie sich diese Unzufriedenheit?

Schmidt: Wir haben gute Wirtschaftsdaten, die Arbeitsmarktzahlen sind gut wie lange nicht. Den Leuten geht es im Großen und Ganzen gut. Es geht für viele aber nicht weiter bergauf. Es herrscht quasi eine Art Stagnation im Wohlstand. Auch daraus kann eine Unzufriedenheit entstehen.

Hat die Basis in Mülheim sich Vorwürfe zu machen?

Schmidt: Nein, die Basis hat das nicht zu verantworten, das Ergebnis der letzten Wahl geht auf Fehler in der Spitze zurück. Man kann Verschuldung zum Thema machen, aber wenn man dann selbst keinen konkreten Sparvorschlag hat, nimmt einem das kein Wähler ab, man verprellt sie.

Wie könnte sich die CDU denn wieder profilieren?

Schmidt: Um glaubwürdig zu sein, muss sie den Mut aufbringen, auch für unpopuläre Maßnahmen einzutreten, wenn sie von deren Richtigkeit überzeugt ist. Sie muss raus aus der Belanglosigkeit. Die Menschen wollen keinen Wettbewerb um Sympathie, sondern klare Positionen erkennen. Das gilt für die Bekämpfung der Schulden genauso wie bei der für NRW zentralen Energiefrage: Wie stehen wir zu Gas- oder Braunkohlekraftwerken?

Können Sie verstehen, dass die Menschen nicht so recht wissen, wofür die CDU heute steht?

Schmidt: Es war früher einfacher, als wir als Partei unseren Freiheitsgedanken gegen den Kommunismus setzten. Wir haben uns dadurch auch klar abgegrenzt. Heute verschwimmen die Unterschiede, Parteien werden sich in vielem ähnlicher. Raus aus der Kernenergie, weg mit der Wehrpflicht – das hätte vor Jahren noch keiner von der CDU erwartet. Aber eine Partei muss sich auch verändern, um auf Veränderungen zu reagieren.

Wo sehen Sie die Marken der CDU von morgen?

Schmidt: Das ist die Familienpolitik, das ist die Energiewende, das ist das Eintreten für eine solide Haushaltspolitik, von der hängt letztlich alles ab.