Mülheim. . Nach den jüngsten gewaltsamen Übergriffen und der zunehmenden Zerstörung wollen die Grünen in Mülheim einen Mentalitäts-Wechsel herbeiführen. Sie verlangen von den Bürgern mehr Engagement beim Verhindern von gewaltsamen Übergriffen und Vandalismus.
Gewalt, Vandalismus und Vermüllung sollen nicht Raum greifen in Mülheim. Eigentlich dürfte dies als gesellschaftlicher Konsens anzunehmen sein. Beklagenswerte Vorfälle in jüngster Vergangenheit lassen aber aufhorchen, lassen bei vielen Bürgern die Frage groß werden, wie viel Geborgenheit die eigene Heimatstadt noch zu bieten hat. Die Grüne Ratsfraktion sieht einen Anlass zum Gegensteuern. Sie bringt eine Kampagne für Zivilcourage ins Spiel. Die Bürgerstiftung signalisiert Bereitschaft, eben solches zu fördern.
Zuletzt machte ein brutaler Überfall einer Jugendbande auf vier Studenten in der Müga Schlagzeilen, nicht einmal 14 Tage zuvor war es die neuerliche Zerstörungswut in den Schutzzonen der Ruhrauen. Für Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert war gerade der Überfall auf die Studenten Anlass, „um darüber nachzudenken, was man gegen die Zunahme an Gewalt an manchen Orten machen kann, ohne nach Polizei und Ordnungsamt zu rufen, die an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen“. Am Müga-Fall jüngst sei erschreckend, dass kein Passant auf die Idee gekommen ist, „zum Handy zu greifen und die Polizei zu alarmieren“.
"Unkultur des Wegschauens"
Eine solche „Unkultur des Wegschauens“ wollen Mülheims Grüne nicht länger akzeptieren. Es gelte Gemeinsinn und Bindung an Mülheim zu stärken. Für den Hauptausschuss am 28. Juni unterbreitet die Fraktion nun den Vorschlag, eine Kampagne aufzulegen für die Stärkung der Zivilcourage, nach dem Motto: „Wegschauen geht gar nicht!“
Getragen werden könne eine solche Kampagne von der Stadt, der MST, Werbegemeinschaften und anderen Sponsoren. „Eine solche Aktion“, so Giesbert, „ist sicher nicht der Stein der Weisen, könnte aber einen wichtigen Beitrag leisten.“ Neben einem effektiven Einsatz des städtischen Ordnungsdienstes, dessen Handlungskraft die Grünen ebenfalls abfragen.
Eine Kampagne könne etwa helfen, Unrechtsbewusstsein in punkto Vermüllung breiter zu streuen. „Bei vielen Bürgern, die Stadt und Landschaft verschandeln, ist dies nicht vorhanden“, so Giesbert. Es wiederzuerwecken, mache Mut, jemandem, der seinen Müll achtlos wegwerfe, entgegenzutreten. „Es ist ein bestärkendes Gefühl, auf Seiten des Rechts zu sein.“ Wobei Giesbert sich bewusst ist, dass engagiertes Auftreten mitunter gefährlich werden kann. Es gehe aber nicht darum, „zu Lasten der eigenen Gesundheit den Bruce Willis zu geben. Wegschauen geht aber gar nicht. Ein Anruf bei der Polizei“, sagt er mit Blick auf Gewalttaten, „sollte jedem möglich sein.“
"Auch Du bist Mülheim"
Plakate, Radiospots und Anzeigen zur Zivilcourage hält Giesbert für denkbar – mit Botschaften wie „Schau nicht weg! Ein Handy hat jeder – Bitte benutze es!“ oder auch „Auch Du bist Mülheim“. Er hofft, dass mit einer solchen Kampagne das Bewusstsein bei Bürgern geschärft werden kann, „dass Mülheim unser aller Stadt ist. Alle wollen eine lebenswerte Stadt.“
Die Bürgerstiftung, die seit Längerem aktiv gegen Zerstörungswut und Gewalt eintritt, fühlt sich angesprochen von der Initiative der Grünen. Über das Was und Wie, so deren Vorsitzender Frank Lenz, sei sicher noch zu sprechen. Im Allgemeinen aber sei jede Aktivität in der Sache begrüßens- und unterstützenswert. „Ich halte soziale Kontrolle für zielführend.“ Eine intakte Bürgergesellschaft lebe davon, dass alle Bürger „einfach mehr hingucken“.
Zivilcourage stärken
Die Zivilcourage zu stärken, ist dabei oberste Maxime der Bürgerstiftung. „Wir wollen keine Hilfssheriffs“, so Lenz. Es gehe eher darum, einen Erziehungsprozess in Gang zu setzen, auch wenn dieser sicher langwierig sei. „Es beginnt im Kleinen.“ Lenz blickt sorgenvoll etwa in die Innenstadt. Dort könne es einem schon unwohl werden, abends alleine auf eine Gruppe alkoholisierter, vor Krawall nicht zurückschreckender junger Menschen zu treffen. Etwa auf dem Weg zu seinem Auto in der Tiefgarage. Es sei bedenkenswert, wenn „erwachsene Männer um die 50 mit zitternder Stimme davon berichten, in eine Schlägerei verwickelt worden zu sein, weil sie eingeschritten sind“. Er selbst, so Lenz, scheue sich, Unruhestifter anzusprechen und zur Ordnung zu mahnen, wenn offensichtlich Alkohol im Spiel sei. „Das“, so der Stiftungsvorstand, „muss wieder umgedreht werden.“
Vielleicht mit Hilfe einer Kampagne für Zivilcourage.
Die Sicherheit und Ordnung in der Müga beschäftigte gestern auf Einladung der MST eine Konferenz mit Vertretern vom Ordnungs- und Grünflächenamt, vom Sozialdezernat, der Stadtkanzlei, der Polizei, des von der MST engagierten Wachdienstes, von VHS und Ringlokschuppen.
Eine dramatische Entwicklung oder eine Häufung von Strafanzeigen habe die Polizei nicht festgestellt, berichtete MST-Prokuristin Heike Blaeser-Metzger. Die Böller-Attacke auf eine Frau und der brutale Angriffe auf vier Studenten seien schlimme Einzelfälle. Gleichwohl beklagt die MST fortwährende Schmierereien und Glasscherben im Gras.
„Wir werden wir uns aber nicht zurücklehnen“, so Blaeser-Metzger. Vereinbart worden sei, dass Vertreter von Stadt, Polizei, MST und Wachdienst sich im Sommer einmal monatlich zur Lagebesprechung treffen. Außerdem soll die Absprache für Kontrollgänge von Ordnungsamt, Polizei und Wachdienst optimiert werden, „um schnelle Reaktionszeiten zu ermöglichen“.