Die Bürgerstiftung Mülheim widmet sich am 28. April in einer Podiumsdiskussion dem Thema „Gewalt vor meinen Augen – was tun?“ (18.30 Uhr, Medienhaus). Einer der Gäste wird Kriminalhauptkommissar Jürgen Probst sein.
Der Leiter des Sachgebietes „Gewaltprävention“ im Polizeipräsidium Essen/Mülheim hält Vorträge und leitet mehrtägige Sicherheitskurse, die sich mit der Rolle des Opfers und der Zeugen auseinandersetzen.
Jeder kann mal in eine Situation kommen, in der er selbst oder andere belästigt, bedroht, beraubt oder angegriffen wird. „Es gibt“, sagt der Kripomann, „kein Patentrezept für richtiges Verhalten.“ Es sei immer situationsabhängig. Das Verhältnis zwischen Täter, Opfer und Helfer gelte es zu analysieren. Auch, wenn es zunächst einmal sehr theoretisch klingt, ergibt sich daraus, welche Möglichkeiten das Opfer hat, und welche der Zeuge. Am wichtigsten sei, betont Probst, eine Situation gar nicht erst eskalieren zu lassen, die Spirale der Gewalt schon möglichst früh zu unterbinden. Dazu gehöre, eine Konfliktsituation aus Distanz zu regeln, zurückzuweichen. Frauen, so Probst, liege dieses Verhalten eher.
Männer hätten meist das Gefühl, Stärke durch Konfrontation beweisen zu müssen. Ein Zurückweichen würde als Schwäche angesehen. „Doch aus der Distanz heraus schafft man sich neue Handlungsmöglichkeiten, dadurch ist man wieder stärker.“
Zivilcourage bedeute nicht, sich zwischen Täter und Opfer zu stellen und womöglich selbst Schaden zu nehmen. Zivilcourage, so Jürgen Probst, habe immer etwas mit Überlegung zu tun. „Wenn jemand in Schlichtungsabsicht auf einen Täter zugeht, sieht dieser das womöglich als Angriff“, warnt Probst. Ein Täter, zum Regelbruch entschlossen, werde mit seinem Tun nicht innehalten, wenn ihm ein Gesichtsverlust drohe – und die Gewaltspirale dreht sich weiter. Es müsse erreicht werden, dass sich der Konflikt nicht fortsetzt, der Täter also die Chance zum Rückzug hat. Jürgen Probst will in seinen Kursen auch vermitteln, „dass sich Leute nicht in bester Absicht in Situationen werfen, aus denen sie nicht ‘rauskommen.“ Was also ist zu tun, wenn man helfen und nicht wegschauen will?
Der Zeuge sollte dem Opfer Hilfe signalisieren, ohne sich dem Täter zu nähern, sagt Probst. Dazu gehöre, nicht mit dem Anruf bei der Polizei zu drohen. Ein Opfer müsse sich, auch wenn es vielen sehr, sehr, schwer falle, als Opfer erkennen – und Hilfe von seiner Umgebung einfordern. „Das wirkt auch auf den Täter, ohne dass er das zugibt“, ist Probst überzeugt. Er nennt als Beispiel Belästigung in Bus oder Bahn: „Wenn das Opfer einen der Mitfahrenden konkret um Beistand bittet, so entsteht bei den anderen ein Solidareffekt: Dadurch wird Zeit gewonnen, einen Notruf abzusetzen.“
Taktisch sei es klüger, so Probst, sich zurückzuziehen, zu versuchen, Ruhe zu bewahren und, etwa bei einem Notruf, genau zu erklären, wo gerade was geschieht. Die Polizei-Leitstelle kenne das Problem: Panische Anrufer legten auf, bevor genau erklärt wurde, wo die Hilfe benötigt wird.
Es geht, betont Probst immer wieder, beim Helfer gerade nicht um eine Auseinandersetzung mit dem Täter, obwohl er weiß: „99% denken, das muss so sein“. Und mancher, der die 110 gewählt hat, denke, er müsse der Polizei etwas präsentieren, und will den Täter festhalten – und bringt sich damit selbst in Gefahr. Probst rät davon ab: „Merken Sie sich lieber gut, wie der Täter ausgesehen hat.“
Und wann sollte Hilfe gerufen werden? Wenn ein Opfer schon auf dem Boden liegt und blutet „ist es zu spät. Hören Sie“, empfiehlt Probst, „auf Ihren Körper: Der signalisiert mit seiner Angst: ,Mach was!’“