Mülheim. .

Der Stadtrat hat die Stilllegung des Flughafen-Astes der Straßenbahn 104 nun ohne wirtschaftlichen Vorbehalt beschlossen. Nun ist die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde am Zug. Sie ist – trotz Absprache mit Dezernent Peter Vermeulen – noch nicht durch mit der Sache. Möglich ist, dass sie im Ansinnen, die Schienen-Infrastruktur bis zum Letzten zu verteidigen, in Mülheim einen Präzedenzfall schafft.

Dies kündigte am Freitag eine Sprecherin der Bezirksregierung als Reaktion auf den Ratsbeschluss an, zwischen Hauptfriedhof und Flughafen auf Dauer nur mehr Busse statt Straßenbahnen verkehren zu lassen, wie es nach der Zwangsstilllegung der maroden Betriebsanlage seit Anfang April ohnehin der Fall ist.

Angst vor "Nachahmung"

Die Stadt argumentiert mit der Unwirtschaftlichkeit des Straßenbahnbetriebs auf der Strecke. Laut einer Fahrgastzählung 2008 sind ab Hauptfriedhof täglich nur 636 Nahverkehrskunden unterwegs. So wenig Nachfrage rechtfertige keinen Einsatz von Straßenbahnen. Ein Ersatz durch Busse (bei gleicher Taktung) mache auch deshalb Sinn, weil für eine komplette Erneuerung der Strecke samt barrierefreiem Umbau von Haltestellen laut MVG rund 11 Mio. Euro aufzubringen wären.

Zweifelsfrei starke wirtschaftliche Argumente, die die Bezirksregierung auch nicht von der Hand weise, so eine Sprecherin. Man stelle sich im Haus aber aufgrund der weiteren Straßenbahn-Pläne in Mülheim (Stilllegung der 110, Linienänderungen 104 und 112) auch eine politische Frage. Die lautet im Kern: Wie kann die Bezirksregierung den unerwünschten Abbau von Straßenbahn-Infrastruktur in Mülheim stoppen? Lässt sie die Stadt gewähren, dürfte bald die nächste klamme Stadt anklopfen und den Willen zur Stilllegung einer Straßenbahn kundtun. Dem Verkehrsdezernat in Düsseldorf ist diese Vorstellung offensichtlich ein Graus.

Verweigerung der Konzession soll Vorhaben kippen

Mit der offen geführten Auseinandersetzung mit Mülheim betritt die Bezirksregierung nach eigener Aussage „Neuland“. Möglich, dass die Behörde einen Präzedenzfall schaffen will und politisch auftritt. Das Haus der grünen Regierungspräsidentin Anne Lütkes überlegt, den Kampf für die Straßenbahn nach Frankfurter Vorbild aufnehme. Dort, so heißt es, habe Mitte der 1980er-Jahre ein Regierungspräsident politische Ziele höher bewertet als wirtschaftliche der Main-Metropole, um ein Straßenbahn-Aus zu verhindern. Die Meinungsbildung der Bezirksregierung hierzu sei nicht abgeschlossen.

Erst mal wartet die Aufsicht in Düsseldorf nun auf zwei Anträge der MVG: einmal auf Entbindung der Betriebspflicht für den Flughafen-Ast der 104, einmal für die Konzession einer neuen Buslinie in diesem Bereich. Genau hier hängt der Haken, mit dem die Bezirksregierung die Stilllegungspläne der Stadt noch aus dem Verkehr ziehen könnte. Sie überlegt, der Stadt keine Konzession für die neue Buslinie zu erteilen. So habe man von der MVG vernommen, dass die neue Buslinie nur wirtschaftlich unterwegs sein könne, wenn sie über den Hauptfriedhof hinaus den Linienweg der Straßenbahn 110 gen Styrum nehme, jene Linie also auch stillgelegt werde. Wenn die „kleine Buslösung“ aber nur mit Minus zu betreiben sei, könne die Aufsicht der Nothaushaltskommune Mülheim hierfür die Konzession versagen . . .

Die Muskelspiele gehen weiter. In einem offenen Brief bringen Bewohner und Bewohnerbeirat des Ev. Wohnstifts Raadt und die Mitarbeitervertretung des Ev. Kranken- und Versorgungshauses derweil ihre Sorge zum Ausdruck, künftig schlechter über den ÖPNV angebunden zu sein. Bewohner, Mitarbeiter, Angehörige seien auf die aktuelle Taktung angewiesen. Ein Erhalt der Flughafen-Verbindung – ob mit Bahn oder Bus – verhindere eine steigende Isolation der Bewohner.