Sie war eine kleine Schönheit. Zu ihrer Zeit dürfte sie häufig bewundernde Blicke auf sich gezogen haben.
Nicht ganz stilsicher, schufen doch gerade diese unterschiedlichen Elemente, die ihr Äußeres prägten, einen ganz eigenen Reiz. Vor 20 Jahren traten ihre mittlerweile viel jüngeren Liebhaber an, um die Schöne über die Zeit zu retten. Doch wer die alte Villa an der Scheffelstraße 18 heute mit nüchternem Blick betrachtet, kommt nicht umhin festzustellen, dass die guten Tage definitiv hinter dem alten Mädchen liegen.
Bestandteile des Historismus, gemischt mit Elementen, die den nahenden Art Déco schon ahnen lassen, erinnern zwar auch jetzt noch daran, wie schön das Wohnhaus der Fabrikantenfamilie Heinrich Schwarz einmal gewesen ist, doch ist für den Städtischen Denkmalpfleger Erich Bocklenberg die subjektive Maßeinheit „Schön” nicht das ausschlaggebende Kriterium.
Das um 1904 gebaute Gebäude, das auf dem Areal der Ruhrthaler Maschinenfabrik Schwarz & Dyckerhoff an der Scheffelstraße (damals noch Brückstraße) in direkter Nachbarschaft zur Fabrikation stand, gilt dem Denkmalpfleger als „auffälliges und hervorragendes Gebäude für die Architektur seiner Zeit”, das im Kontext mit anderen Objekten Bestandteil des historischen Mülheims sei. „Als wir die Villa 1988 unter Schutz gestellt haben, was damals auch alle wollten, war sie in einem guten Zustand.”
Was dem Haus heute selbst mit viel gutem Willen niemand mehr nachsagen kann. Der heutige Besitzer, die MWB (Mülheimer Wohnungsbau), die das rund 20 000 Quadratmeter große Gelände samt Villa vor eineinhalb Jahren von der Essener Wohnungsbaugesellschaft Gagfah gekauft hat, verweist auf Gutachten, die dem alten Schätzchen neben Schwamm in den Wänden und Vandalismusschäden weitere Zeichen des Verfalls attestieren.
Zwar tangiert das ehemalige Fabrikantenheim die Pläne der MWB nicht, die will dort neben einem kleineren Seniorenheim Ein- und Mehrfamilienhäuser realisieren, doch hängt ihr Herz auch nicht an dem maroden Objekt.
Das laut Erich Bocklenberg nur deshalb in so einem katastrophalen Zustand ist, weil keiner der Verantwortlichen „etwas gemacht hat”. Was dem Erhaltungswillen keinen Abbruch tut. „Dann wird man sich um den Erhalt der Fassade kümmern”, so der Städtische Denkmalpfleger, der darauf verweist, dass das so einfach mit dem einmal erteilten Denkmalschutz nun auch nicht sei. Wirtschaftliche Gründe könnten unter Umständen ein Grund dafür sein, sich vom Schutzgedanken zu verabschieden. Doch geht er davon aus, dass es die MWB wirtschaftlich nicht in eine schwierige Lage bringen würde, sich der alten Dame gegenüber endlich als Kavalier zu erweisen.