Mülheim.
Die Kostümbildnerin Elisabeth Strauß, die an vielen Theatern in der Republik Erfahrungen gesammelt hat und seit der Spielzeit 2003/04 am Schlosstheater Moers engagiert ist, ist für die Handke- Produktion nach Mülheim zurückkehrt.
Wenn Menschen jenseits der 50 in den Erinnerungen und den Kästchen mit Andenken der Eltern oder Großeltern kramen, dann sind darunter oft Urlaubsfotos aus den Bergen. Und Edelweiß. Es ist nicht nur dieses kleine Edelweiß als Anstecker, das sich durch das gesamte Stück zieht. Es ist das ganze Kostümbild, das den Zeitgeist der Kriegsjahre atmet. Maßgeschneidert für die Handke-Inszenierung – bis ins kleinste Detail. In „Immer noch Sturm“, einer Mischung aus Erzählung und Poesie, lässt Handke seine Familiengeschichte wieder lebendig werden. Es ist ein Stück der Erinnerung, eine Hommage an die Vorfahren. Es spielt in Kärnten in den bedrohlichen Vor- und Kriegsjahren, als die slowenische Minderheit in den Widerstand gegen die Nazi-Herrschaft ging. „Den Geist, der dem Stücke innewohnt“, will Elisabeth Strauß in ihren Kostümen einfangen.
In Mülheim werden Erinnerungen wach
Sie ist auf Anfang gegangen, an einem Ort, „der mich geprägt hat“. Sieben Jahre lang war sie von 1984 bis 1991 Assistentin von Klaus Arzberger, dem schon lange verstorbenen legendären Kostümbildner. Dass Elisabeth Strauß eingeladen wurde, die neue Produktion auszustatten, ist für sie selbst ein Stück „Erinnerung“.
Es sind nicht wenige Kleider, die für fünf Bilder angefertigt werden müssen. Und so wird in der Kostümwerkstatt heftig gewirbelt. Stoffe spannen sich über die Schneiderpuppen, auf den Tischen überlagern sich die Teile für noch so kleine Accessoires. Ein großer Kostümplan mit den Namen der Schauspieler und was sie in welchem Bild tragen, liegt vor Elisabeth Strauß. Ein schwarzes Kleid für die Großmutter, ein Mantel im Militärstil für die Mutter, ein Partisanenkleid und ein Schiffchen mit rotem Stern für die Tante, Knickebocker-Hosen für den Onkel, ein Zylinder für den Opa, Zopfkrönchen, wie sie einst getragen wurden, Nylons oder die roten Stiefeletten, die symbolisch für Lebenslust durch das Stück spazieren.
Fertigung der Kollektion ist eine Inszenierung für sich
Der Prozess ist von der Recherche über die Typisierung von Figuren, Ideen und Entwürfen bis zur fertigen Gesamt-Kollektion schon eine eigene Inszenierung für sich. In Bibliotheken und Archiven hat sich Elisabeth Strauß schlau gemacht, was die Menschen in den 1930er- und 1940er Jahren anhatten. „Das Gefühl von Erinnerung, was wir an unsere Vorfahren haben, möchte ich in den Kostümen umsetzen.“ Und ist dabei auf ihre eigene Vergangenheit gestoßen: „Vieles habe ich aus dem Theater-Fundus oder getrödelt.“ Darunter Sachen von früher, „die ich wiedererkannt und verwendet habe.“ Wie die Figuren in der Geschichte langsam Farbe bekommen, sich die Realität immer mehr durchdrückt, so entwickelt sich das Kostümbild. Von dezent schwarz-weiß und Sepia-Tönen am Anfang „nimmt die Farbigkeit immer mehr zu, hat im fünften Bild eine schon fast clowneske Ästhetik“. Auch das sind Stoffe, aus denen ein Stück gemacht ist.