Mülheim. .

Ihr Hausarzt ist in Ruhestand gegangen, und die Praxis bleibt leer? Sie haben eine Überweisung zum Facharzt und werden auf Wochen vertröstet? Sie liegen im Krankenhaus und bekommen nur noch selten und wenn einen übermüdeten Arzt zu Gesicht? Ärztemangel in Deutschland, in einem Land der medizinischen Spitzenversorgung. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat das Rezept zu Beginn des Jahres auf den Weg gebracht: „das Versorgungsstrukturgesetz“. Eine hilfreiche Medizin oder ein Placebo – darüber diskutierte er jetzt mit der Mülheimer Ärzteschaft auf Einladung der Ärztekammer.

Das Gesetz soll nicht weniger, als den drohenden Ärztemangel bekämpfen. Für die Patienten von morgen soll es eine Versorgung auf hohem Niveau sicherstellen. Dabei gehe es nicht nur um Ärztestellen, sondern auch um neue fachärztliche Angebote, um bessere Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Medizinern und Kliniken, um bessere Arbeitsbedingungen für Ärzte und um bessere Vergütungen, wie Daniel Bahr (FDP) betonte.

Gegen die Ärzteabwanderung

Er wehrt sich gegen den Begriff „Landärztegesetz“, auf das seine Kritiker es herabstufen wollen. Natürlich geht es auch darum, junge Mediziner für ländliche Regionen zu gewinnen, aber auch für Stadtteile, die als sozial schwach und daher wirtschaftlich als wenig attraktiv gelten. Es fehlen Ärzte an vielen Orten. Uwe Brock, Vorsitzender der Ärztekammer in Mülheim, nennt die Gründe: Jahrzehntelang hätte eine Regulierungs- und Kostendämpfungspolitik die Bedingungen für den Arztberuf verschlechtert: „Marathondienste im Krankenhaus, hoch qualifizierte Leistungen zu Dumpingtarifen, Verbürokratisierung, Dokumentationsanforderungen ohne Ende, Checklisten-Medizin, Honorarverfall, Einschränkung der Freiberuflichkeit“, zählt er auf und zeigt Verständnis, dass der Mediziner-Nachwuchs daraus Konsequenzen ziehe. Tausende wandern ab.

Dennoch lobt die Ärztekammer diesen Minister, unter dessen Regie erstmals der Ärztemangel angegangen werde. Es gehe dabei keineswegs nur um Geld, betont Bahr, der in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode die Gebührenordnung für Ärzte nach über 20 Jahren reformieren möchte. Gerade für jüngere Ärzte gehe es auch darum, ob der Partner am Ort Arbeit finde, wie das Kultur- und Freizeitangebot am Ort aussehe, was an Kitas und Schulen vorhanden sei, erst dann komme die Frage nach Geld und nach Arbeitszeiten.

Geringe Verdienstmöglichkeiten in Mülheim

„Auch die Stadt kann viel für die Niederlassung von Ärzten tun“, sagte der Minister. Eine Hürde, die der Gesetzgeber jetzt genommen hat, ist die Residenzpflicht. Heißt: Der Hausarzt muss nicht auch am Ort der Praxis wohnen.

Vielerorts heftig umstritten, so auch in Mülheim, sind die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) angeschlossen an Kliniken. Niedergelassene Ärzte sehen darin eine bedrohliche, unnötige Konkurrenz. Wie der Minister erklärte, hält er Medizinische Versorgungszentren nur noch in unterversorgten Gebieten für erforderlich und sinnvoll.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Für viele Ärzte bleibt es ein Wunschdenken. Für die gleiche Arbeit verdient anderswo oft ein Mediziner deutlich mehr als in Mülheim, bis zu 30 Prozent. Diese Ungerechtigkeit, so fürchtet Brock, könnte festgeschrieben werden. Bahr betonte, dass die regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen bei der Honorarverteilung jetzt mehr Gewicht haben. Er sieht die Selbstverwaltung der Ärzte in der Pflicht, die Ungleichheiten anzugehen. Die nutzen die Chance, um etwa Hausärzte im unterversorgten Gebieten wie Styrum mit Landärzten gleich und damit besser zu stellen und sie vor Abschlägen bei einer hohen Patientenzahl zu verschonen. Doch die Differenz zu manchen anderen Gebieten, so Brock, bleibe.