Mülheim.
Die nächste Luftschiff-Saison hatte er schon geplant, doch er hat sie nicht mehr erlebt. Theodor Wüllenkemper, Gründer und Inhaber der Westdeutschen Luftwerbung (WDL), starb am frühen Montagmorgen im Alter von 86 Jahren.
Es ist selten, dass ein Mensch schon zu Lebzeiten eine Legende ist. Theodor Wüllenkemper war gleich in mehrfacher Hinsicht ein Pionier. Nach dem zweiten Weltkrieg war er einer der ersten Deutschen, denen die Alliierten im Mai 1955 die Pilotenlizenz zurückgaben. Im Keller des zerstörten Flughafens Essen/Mülheim baute er aus Trümmerteilen Segelflugzeuge zusammen und erweckte die Fliegerei auf den Ruhrhöhen wieder zum Leben.
Hunderte Piloten ausgebildet
Das Unternehmen bildete später Hunderte Piloten aus, organisierte einen Seebäderdienst zu den Nordsee-Inseln und bot Schädlingsbekämpfung aus der Luft an. Wüllenkempers eigentlicher Coup glückte ihm jedoch, als er den Himmel als unendliche Werbefläche entdeckte. 40 WDL-Flugzeuge zogen Reklame-Banner hinter sich her.
Doch in den späten 60er-Jahren regte sich erster Bürgerprotest gegen die Propeller-Maschinen, die tief fliegen mussten, damit die Banner noch zu lesen waren. Wüllenkemper kam auf die Idee, Werbung stattdessen mit umweltfreundlicheren Luftschiffen zu transportieren. „Uns gelang es, einen Blimp zu entwickeln, der nicht entzündbar war, weil wir Helium statt Wasserstoff einsetzten“, erinnerte er sich einmal. Die WDL-Luftschiffe sollten nicht explodieren wie am 6. Mai 1937 die „Hindenburg“ des Grafen Ferdinand von Zeppelin.
Luftschiffe beinahe weltweit verkauft
1972 hob die erste „Zigarre“ am Flughafen ab und machte Werbung für die Brauerei Wicküler. Wüllenkemper verkaufte Luftschiffe nach Japan, USA, Afrika und Europa. Der japanische Filmrollen-Hersteller Fuji buchte ein Schiff sogar über 25 Jahre lang. „WDL-Luftschiffe sind auch Botschafter für Mülheim in aller Welt“, sagte Wüllenkemper immer wieder. Trotz aller Sympathie für die Blimps blies ihm politisch seit jeher der Wind ins Gesicht. Der Bau der zweiten Luftschiffhalle wurde ihm nie genehmigt. Auch nachdem die WDL Fracht- und Passagierflugzeuge komplett nach Düsseldorf und Köln ausgelagert hatte, setzte sich der Anwohner-Protest fort. „Das ging bis zur Prügelandrohung“, ärgerte sich Wüllenkemper.
Im Luftschiff über den Pott
Der jahrzehntelange Dauerkonflikt um den Flughafen belastete, ja kränkte den Mann, der die Welt bereiste und in den 70er-Jahren für das Entwicklungshilfeministerium in Afrika testete, ob Luftschiffe für den Transport von Nahrungsmitteln eingesetzt werden können. Er litt darunter, dass er sein Unternehmen auf den Ruhrhöhen nicht entwickeln konnte. Seine Drohungen, den Flughafen samt Gewerbesteuerzahlung zu räumen, machte er nie wahr. Mülheim war seine Heimat, an der Lilienthalstraße war er postalisch als Privatmann gemeldet. Bis zum Schluss saß er dort täglich am Schreibtisch – mit 86 Jahren, schwer erkrankt. Die WDL war sein Leben.
Wüllenkemper war nicht nur Luftfahrtunternehmer
Doch da war nicht nur der Luftfahrtunternehmer. Wüllenkemper engagierte sich finanziell und ideell für medizinische Projekte, kaufte ein Institut für Lern- und Lehrmittel und saß im Aufsichtsrat der Embry Riddle Hochschule für Luft- und Raumfahrt in Florida. Er entdeckte die Backstreet Boys mit und liebte Blumen und Zigarren über alles.
Geheiratet hat Theo Wüllenkemper nie. Seine Familie waren die Mitarbeiter, ganz besonders die WDL-Mitinhaberin Inge Bachmann und Geschäftsführerin Barbara Majerus. Sie sollen sein Lebenswerk fortführen.
Die Wirtschaft trauert um Theodor Wüllenkemper. „Ein großer Unternehmer und ein guter Freund hat uns verlassen. Unsere Gedanken sind bei seinen Angehörigen, denen wir unser tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken“, so Heinz Lison, Sprecher der regionalen Wirtschaft und Freund Wüllenkempers.
2009 Unternehmer des Jahres
Theodor Wüllenkemper war von der Unternehmerverbandsgruppe noch 2009 als „Unternehmer des Jahres“ ausgezeichnet worden. „Er war im besten Sinne ein Vertreter der alten Schule, ehrlich und aufrichtig, gerade heraus, herzlich, legendär humorvoll und charmant, dabei von einer überaus sympathischen Bescheidenheit und zugleich energisch und zielstrebig wie kaum ein Zweiter“, so Lison.
Leinen los
Seine Karriere sei keine gewesen, in der es immer nur geradeaus ging – „aber doch stets aufwärts“. Er sei ein Pionier durch und durch bis zum Ende seines Lebens gewesen. „Sein Name steht für einen Neubeginn in Deutschland nach dem Krieg, für wiedergewonnene Freiheit und Verantwortung, auch und gerade als Unternehmer. Was er damals vor sich sah, war ein verwüstetes Deutschland, eine Stadt, die bis ins Mark verwundet und in großen Teilen in Trümmern lag. Er war ein Mann der ersten Stunde. Mit Mut und Weitsicht, einem klaren Verstand und einem großen Herzen hat er angepackt und an sich und seine Heimat geglaubt.“
Alles aus eigener Kraft
„Wüllenkemper war zurecht stolz darauf, alle seine Unternehmungen aus eigener Kraft und ohne den Beistand der Banken zu finanzieren“, so Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbandsgruppe. „Ein Kaufmann alter Schule: ehrlich, verlässlich, selbstbewusst. Auch Mülheims Chef-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier würdigte Wüllenkemper: „Seine WDL-Luftschiffe waren viele Jahrzehnte auch fliegende Botschafter für die Stadt und den Wirtschaftsstandort Mülheim. Nur sein letzter großer Lebenstraum, den Flughafen weiter auszubauen, blieb unerfüllt. Wir werden Theodor Wüllenkemper als großen und heimatverbundenen Unternehmer stets in guter Erinnerung behalten.“