Wer Mitte 80 ist, hat in der Regel bereits 20 Jahre Ruhestand hinter sich. Da fällt der Luftfahrtunternehmer Theodor Wüllenkemper sicherlich aus dem Rahmen. Am Freitag feiert er seinen 85. Geburtstag und schmiedet noch immer Zukunftspläne für seine Firmengruppe.

Es vergeht kein Tag, kein Wochenende, an dem Wüllenkemper nicht an seinem Schreibtisch am Flughafen sitzt. Urlaub hat er nie gemacht und erst gar keinen Gedanken daran verschwendet, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. „Ich habe immer noch Erfolg. Das gibt mir Kraft“, sagt der Mann mit der einzigartigen Vita.

Wüllenkemper war der erste Deutsche, der nach dem Krieg einen Flugschein bekam. Am fast völlig zerstörten Flughafen Essen/Mülheim baute er sein Unternehmen – die ­Westdeutsche Luftwerbung – auf. Die WDL bildete Piloten aus, flog Passagiere in die Nordseebäder, Fracht in alle Welt und Banner-Werbung am Himmel.

Wahrzeichen des Ruhrgebiets

Mit dem aufkommenden Protest gegen den Flughafen und wegen verschärfter Umweltauflagen verlagerte Wüllenkemper seine Flotte nach Köln/Bonn und Düsseldorf. In Essen/Mülheim aber verblieb seine Erfindung, die ein Wahrzeichen des Ruhrgebiets geworden ist: die Luftschiffe.

Es war 1972, als Wüllenkemper ein mit Helium gefülltes Prallluftschiff entwickelte und den Himmel als endlose Werbefläche entdeckte. Brauereien, Versicherungen und Fotobedarf-Hersteller buchten die 60 Meter langen „Zigarren“, um für ihre Produkte Werbung im In- und Ausland fliegen zu lassen. Auch die WAZ-Mediengruppe gehört zu den Kunden.

„Auf den Luftschiffbau bin ich noch heute stolz“, bekennt sein Erfinder. Zumal die Prallluft-Technik seither keine Nachahmer fand, aber auch nicht auf dem bisherigen Stand verharren soll. Ab Ende Oktober, wenn die Tage noch kürzer werden, will Wüllenkemper Nachtwerbeflüge anbieten. „Die ersten Interessenten gibt es schon“, sagt er.

Luftschiffe fliegen in Asien

Drei „Zigarren“, die derzeit noch in Kisten verpackt in einer Halle im Mülheimer Hafen lagern, sollen demnächst auch in China fliegen. Die WDL plant ein Joint venture, an dem sie die Mehrheit halten will. „Die Luftschiffe sollen in Peking, Schanghai und Hongkong fliegen“, kündigt Wüllenkemper an. Coca-Cola, McDonald’s und der Versicherungskonzern Metlife sollen bereits Interesse signalisiert haben.

Die deutsch-chinesische Gemeinschaftsfirma hat aber noch weitergehende Pläne: Nach Wüllenkempers Angaben soll sie 40 Ballone in Luftform bauen, die in erdbebengefährdeten Gebieten Chinas die Aufgaben von Mobilfunkmasten übernehmen. „Sie sind an 1500 Meter langen Stahlseilen befestigt und die Gondel ist mit Funktechnik vollgepackt“, erklärt der WDL-Chef. Ein Teil der Ballone soll in Mülheim gebaut werden.

Kampf um den Flughafen

Der 85-Jährige ist also weit davon entfernt, die Hände in den Schoß zu legen. Das trifft auch für seinen jahrzehntelangen Kampf um den Flughafen Essen/Mülheim zu. Der Beschluss der Ratsmehrheit, den Airport zu schließen, beeindruckt ihn nicht: „Die Politik ist viel zu feige, den Flughafen zu schließen. Die Stadt hat doch dafür überhaupt kein Geld“, meint der WDL-Chef im Hinblick auf fällig werdende Entschädigungszahlungen an Firmen, die auf den Ruhrhöhen ansässig sind. „Ich werde denen nicht den Gefallen tun und freiwillig gehen. Mein Pachtvertrag läuft bis 2024. Den werden wir erfüllen.“

Auch intern hat Wüllenkemper personell die Weichen für die WDL-Gruppe gestellt. „Nach mir soll es mit dem Unternehmen weitergehen“, wünscht sich der Jubilar. Dafür hat er einen neuen Manager für die Aviation-Tochter in Köln/Bonn und ein neues Mitglied der Geschäftsleitung für die Holding in Mülheim eingestellt: Boris Berger, den ehemaligen Planungschef der Staatskanzlei unter Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Wüllenkemper: „Ich tue alles, um den Betrieb zu erhalten.“

Info:

Während der WDL-Luftschiffbetrieb am Flughafen Essen/Mülheim angesiedelt ist, operiert die WDL Aviation mit 240 Mitarbeitern von Köln/Bonn aus. Die 15 Flugzeuge, die Theo Wüllenkemper gehören, fliegen Passagiere und Fracht für die Fluglinien Air France, KLM, SAS und Air Berlin.