Mülheim. . Beruf oder Studium mit der Familie zu vereinbaren ist schwierig. Viele Unternehmen setzen daher auf Familienfreundlichkeit, lassen sich zertifizieren. Die Hochschule Ruhr West darf sich nun offiziell „Familiengerechte Hochschule“ nennen. Weitere Mülheimer Unternehmen erhielten ebenfalls Auszeichnungen.
Kinder haben Bedürfnisse, die sich nach keinem festen Zeitplan richten. Beruf oder Studium mit der Familie zu vereinbaren ist eben nach wie vor schwierig. Viele Unternehmen setzen daher gezielt auf Familienfreundlichkeit, lassen sich zertifizieren und werben mit dem Titel um Mitarbeiter, Auszubildende oder Studierende.
Auch die Hochschule Ruhr West (HRW) setzt auf Familienfreundlichkeit als Aushängeschild und bietet gleitende Arbeitszeiten, flexible Prüfungstermine und Vermittlung von Kinderbetreuung. Dafür darf sich die HRW mit dem Zertifikat der Stiftung „Audit Beruf und Familie“ nun offiziell „Familiengerechte Hochschule“ nennen.
Eigentlich hat Dr. Susanne Staude zwei Berufe. Den als Mutter von drei Kindern und den als Professorin für Thermodynamik an der HRW. Um beide Jobs unter einen Hut zu bringen, sei neben der Kinderbetreuung vor allem gutes Zeitmanagement wichtig. Sowie Vorgesetzte und Kollegen, die den Gedanken der Familienfreundlichkeit verinnerlicht haben. Schließlich müssen an einer familienfreundlichen Arbeitsumgebung alle arbeiten.
Flexibel auf Familien reagieren
Das bedeutet, Besprechungen nicht erst um 17 Uhr anzusetzen oder die Kommilitonin nicht schief anzuschauen, wenn sie das Baby mal mit ins Seminar bringt. „Man muss gerade bei Führungskräften das Bewusstsein schaffen, flexibel auf Familien zu reagieren – auch für die Hochschule selbst“, weiß Susanne Staude, die auch Gleichstellungsbeauftragte der HRW ist. Denn: Mitarbeiter und Studierende seien motivierter und fühlen sich so stärker gebunden.
„Durch einen solchen Titel hat man auch einen Wettbewerbsvorteil“, weiß HRW-Sprecherin Heike Lücking. Schließlich entscheiden sich Studienanwärter mit Kindern meist vor Antritt des Studiums, wo es Betreuungsmöglichkeiten oder flexible Studienzeiten gibt.
Um das Zertifikat auch in den kommenden Jahren behalten zu dürfen, wird die HRW jährlich auf bestimmte Angebote geprüft. „Alle drei Jahre werden die Ziele von der Stiftung höher angesetzt“, erklärt Susanne Staude.
Heimarbeitsplätze einrichten
Maßnahmen, die noch umgesetzt werden müssen, seien zum Beispiel die Einrichtung von Heimarbeitsplätzen, finanzielle Unterstützung für Beschäftigte und Studierende mit Familien oder die Einrichtung eines Eltern-Kind-Zimmers. „In diesem gibt es neben einem Rechner dann auch eine Spielecke fürs Kind.“
In Notfällen könnten Eltern ihre Kleinen dann mit in die Hochschule bringen. Auch an der Einrichtung einer eigenen Kita arbeitet die Gleichstellungsbeauftragte: „Wenn wir 2014 auf den Campus an der Duisburger Straße umgezogen sind und am Ende 4000 Studierende haben, könnte eine eigene Kita sinnvoll sein.“
Im Moment lohne sich das noch nicht – nur etwa fünf Mitarbeiter nutzten zur Zeit ein seit Oktober 2011 bestehendes Angebot der HRW: Ein Unternehmen, das von der Hochschule engagiert wurde, unterstützt die Mitarbeiter und Studierenden bei der Suche nach Pflegediensten oder Kinderbetreuungsangeboten. „Es vermittelt kurzfristig Babysitter, Au-Pairs, Ferienbetreuung oder Pflegekräfte“, weiß die Professorin.
Trotz der Zertifizierung und der bereits bestehenden Angebote gebe es aber noch einiges zu tun in Sachen Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Schließlich sollen sich in Zukunft mehr Frauen wie Susanne Staude an der HRW bewerben – oder dort studieren.
Familienfreundlicher Betrieb ausgezeichnet
Auch das Mülheimer Bündnis für Familie zeichnet regelmäßig Unternehmen aus, die Wert auf Familienfreundlichkeit legen. Elf Betriebe haben die Auszeichnung bereits erhalten. Nun haben auch die Edeka-Märkte Paschmann den Titel bekommen. Gerade im Einzelhandel, wo teilweise von 7 bis 22 Uhr und im Schichtdienst gearbeitet wird, sind flexible Arbeitszeiten nötig, um Job und Kinder unter einen Hut zu bekommen.
Das Bündnis für Familie entschied sich für die Paschmann-Märkte, weil gerade der Einzelhandel ein Segment darstellt, das „mit seinen flexiblen Öffnungszeiten oft zu Kollisionen von Familie und Beruf führt“, mahnte Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld an, die die Urkunde an Heinz Wilhelm Paschmann überreichte. Teilzeitbeschäftigung für alleinerziehende Mütter in Ausbildung oder finanzielle Beihilfen als Unterstützung für Familien in Krisensituation anzubieten, sei vorbildlich, so die OB.
Kinderwunsch und Berufstätigkeit kombinieren
„Es ist uns wichtig, dass sich Kinderwunsch und Berufstätigkeit gut kombinieren lassen“, sagt Heinz Wilhelm Paschmann. Jeder Mitarbeiter könne zwischen Schichtarbeit mit festen oder wechselnden Arbeitszeiten wählen, für Mehrarbeit bekomme er Freizeitausgleich und bei der Urlaubsplanung würden seine Belange berücksichtigt. Kinder- oder Angehörigenbetreuung würden durch flexible Arbeitszeiten und Freistellungen unterstützt, bei Bedarf auch finanzielle Hilfen wie Firmendarlehen oder Zuschüsse zur Betreuung vergeben. Ein Konzept, das nötig ist und sich am Ende auszahlt. Immerhin sind von 600 Beschäftigten in neun Paschmann-Märkten 70 Prozent Frauen.