Mülheim. Eltern und Lehrer klagen darüber, dass Sportunterricht in der RWE-Sporthalle ausfallen muss, weil die Halle kommerziell genutzt wird.

Eltern und Lehrer beklagen sich zunehmend über den Ausfall von Sportunterricht in der RWE-Sporthalle. Dafür ist kein Lehrermangel verantwortlich, sondern die kommerzielle Vermarktung der Halle. Und eine solche war, als der Bau 2005 für 10,1 Millionen Euro eingeweiht wurde, von der Politik, zumindest grundsätzlich, auch durchaus gewünscht. Für den Mülheimer Sport-Service (MSS) ist es, wie dessen Leiterin Martina Ellerwald sagt, stets eine Gratwanderung zwischen schulischen und wirtschaftlichen Interessen.


Einnahmen: 150.000 Euro

Kämmerer Uwe Bonan wird sich freuen, denn die Erlöse, die mit der Halle erzielt wurden, sind weitaus höher als im Haushalt veranschlagt: Statt der erwarteten 60.000 werden zum Jahresende 150.000 Euro an Einnahmen erwirtschaftet sein. „Das geht zu Lasten der Kinder“, kritisiert eine Sportlehrerin, die ungenannt bleiben möchte. Jedes Kind habe Anspruch auf drei Stunden Sportunterricht in der Woche. Ein Anspruch, der schon unter normalen Umständen schwer zu erfüllen sei, weil es bei den Sportstätten insgesamt eine Unterversorgung gebe, was auch der MSS nicht bestreitet.

Verschärft wurde die Situation im Herbst dadurch, dass das Wennmann-Bad wegen der Sanierung als Ausweichfläche nicht zur Verfügung stand und die Turnhallen an der Luisenschule und der Karl-Ziegler-Schule renoviert wurden. Da bei der Turnhalle an der Karl-Ziegler-Schule Probleme mit der Betondecke entdeckt wurden, verzögerte sich dort die Sanierung um 8 Wochen, so dass die Halle erst nach den Herbstferien freigegeben werden konnte. Zudem sei die Halle an der Südstraße zum Badminton-Leistungszentrum geworden. So steige der Druck auf die RWE-Halle.

Da diese eine Vierfach-Turnhalle sei, so die Lehrerin, komme schon bei einem einzigen Tag rasch eine große Anzahl Kinder zusammen, für die der Unterricht ausfalle, weil es keine adäquaten Ausweichmöglichkeiten gebe. Die beiden, insgesamt 600 Quadratmeter großen Räume im Keller der Halle seien nicht mehr als ein Notbehelf, der nur eingeschränkt zu nutzen sei. Die Beschwerden haben auch das Amt für Kinder, Jugend und Schule erreicht.

Runder Tisch

„Jede Stunde, die ausfällt, ist zu bedauern“, sagt Amtsleiter Uwe Alex. Egal könne das bei der bekannten Bewegungsarmut der heutigen Generation niemandem sein. Ein Ausweichen auf andere Standorte, zumal im Winter, sei aber leider kaum möglich. „Alle Sportstätten sind bis zur Oberkante ausgelastet“, so Alex. Wie viele Stunden ausfallen, kann weder er noch der MSS genau sagen. Auf dem Terminplan der Hallenbelegung sind für dieses Jahr allerdings 89 Veranstaltungstermine (inklusive Aufbautage) aufgelistet, die ganz überwiegend auf das Wochenende fallen. 20 sind allerdings an Wochentagen, an denen dann der Schulsport allenfalls nur eingeschränkt möglich war.

Die Lehrerin spricht für ihre Klasse von ein- bis zweimal im Monat, dass der Unterricht ausfällt. Im Januar soll an einem runden Tisch mit Vertretern des Sports, der Schulen und der zuständigen Dezernenten ein Interessenausgleich in der Frage erzielt werden. Elternvertreter, so Alex, seien in der Runde nicht vorgesehen.

Alice Cooper Konzert

Für Ralf Wind, der beim Sportservice die Hallenbelegung regelt, gibt es Veranstaltungen, „da kann man schlecht nein sagen“. Die Box-Gala vom 12. Februar etwa, die in der ARD übertragen wurde, oder die Europameisterschaft im Darten, die im kommenden September an vier Tagen insgesamt 12.000 Zuschauer anlocken soll, wie er hofft. Allerdings werde man einen zusätzlichen Tag zum Aufbauen benötigen. Auch dieses Sport-Event werde im Fernsehen übertragen, wobei Darts ein Sport sei, der sich einer immer größeren Beliebtheit erfreue.


Große Erwartungen hegt Wind auch bei Lauryn Hill, die am 28. Januar gebucht ist. Mit der Sängerin der Fugees („Killing me softly“), deren zweites Album The Score sich 17 Millionen Mal verkaufte, hofft er, in der Halle die 3000-Besucher-Marke zu knacken. Grundsätzlich bemühe man sich, die Konzerte auf das Wochenende zu legen. So war es auch bei Alt-Rocker Alice Cooper und Marillion & Saga. Aus organisatorischen Gründen wurde die Technik nach dem Cooper-Konzert erst am Montag abgebaut.

Uni-Prüfungen

Eng wurde es vor allem in den vergangenen vier Monaten. Mitte September blockierte zunächst eine Messe von Kaiser’s Tengelmann für drei Tage die Halle, und nach einem Umbautag kamen die Sozialdemokraten für ihren Landesparteitag. Anfang Dezember füllten Studenten die Halle an drei Tagen, um hier ihre Prüfungen abzulegen. 560 Studenten saßen hier von 8 bis 15 Uhr an Tischen, die hinterher zur Seite geschoben wurden, um Platz für den Vereinssport zu schaffen.

„Dafür habe ich absolut kein Verständnis“, sagt die Lehrerin. „Vermutlich sind das auch Lehramtskandidaten. Aber in Essen oder Duisburg muss die Uni doch auch Räume haben.“ Und an den Tagen zwischen den Prüfungen seien die Tische nur an den Rand gerückt und beeinträchtigten den Unterricht. Für das kommende Jahr habe man der Uni bereits eine Absage erteilt, sagt Ellerwald.

Ein anderes Event, das die Halle füllt, sind die Yonex German Open, bei denen die komplette Halle acht Tage lang belegt ist. Froh ist Wind auch darüber, dass der Moerser SC in der RWE-Halle untergekommen ist. Der Volleyball-Bundesligist war in Not, und ohne Halle drohte ein Lizenzentzug. Die Spiele, zu denen meist über 1000 Zuschauer kommen, sind meist am Wochenende.