Mülheim. Der Job-Motor für Menschen mit Behinderung ist noch nicht angesprungen: Die Arbeitsagentur will aktiv werden.
Der deutsche Job-Motor springt für Menschen mit einer Behinderung nicht an. Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist in einer Studie darauf hin, dass die Gesamtzahl der Arbeitslosen in den letzten zwei Jahren um 15 Prozent zurückgegangen ist, die Zahl der Arbeitsplatzsuchenden mit einer Schwerbehinderung aber im gleichen Zeitraum sogar um 7,6 Prozent angestiegen ist. Die lokale Arbeitsmarktstatistik weist einen vergleichbaren Trend aus.
Potenzial nutzen
Katja Hübner von der örtlichen Bundesagentur für Arbeit kennt das Problem und die Vorurteile, die Schwerbehinderten auf der Suche nach Arbeit entgegenschlagen: „Die sind nicht so leistungsfähig, werden öfter krank und man wird sie nicht mehr los.“ Hübner denkt an einen Rollstuhlfahrer, der trotz guter Qualifikation nur sehr schwer zu vermitteln war. Landesweit liegt der Anteil der in der freien Wirtschaft beschäftigten Schwerbehinderten bei nur 4,3 Prozent.
Rund 80 Prozent der Unternehmen zahlen laut Landschaftsverband Rheinland (LVR) lieber eine Ausgleichsabgabe statt ihre gesetzlich vorgeschriebene Schwerbehindertenquote zu erfüllen. Sie verzichten damit auch auf mögliche Fördergelder oder Lohnkostenzuschüsse der Bundesagentur für Arbeit, des LVRs oder der Integrations- und Sozialämter, die die Einstellung eines schwerbehinderten Mitarbeiters mit sich bringen können. Hübner spricht von einem „verborgenen Potenzial, das wir in Zeiten des Fachkräftemangels unbedingt nutzen müssen.“
Um Vorurteile abzubauen und verstärkt um die Einstellung von Schwerbehinderten zu werben, werden die Arbeitsvermittler der Agentur rund um den Welttag der Menschen mit Behinderung (3. Dezember) den Kontakt zu örtlichen Arbeitgebern aufnehmen.
Eine ehrliche Haut
Wie sieht es mit dem Anteil schwerbehinderter Arbeitnehmer bei Mülheimer Arbeitgebern aus? „Wir erfüllen unsere gesetzliche Schwerbehindertenquote mit fünf Prozent ganz genau, aber unser Ziel ist mehr“, sagt Alfons Bromkamp von der Geschäftsleitung des im Hafen ansässigen Callcenters TAS. Unter dessen 300 Mitarbeitern sind zum Beispiel auch einige Rollstuhlfahrer. „Sie sind besonders engagiert und bereit, ihre Kräfte voll einzusetzen, weil sie ihren Arbeitsplatz zu schätzen wissen“, sagt Bromkamp über seine Mitarbeiter mit Behinderung.
„Es fördert das Betriebsklima, wenn Kollegen, die sich über oberflächliche Dinge ärgern, sehen, wie Menschen mit einem schweren Handicap ihr Leben meistern“, glaubt Bromkamp. Auch der an der Mellinghofer Straße ansässige KFZ-Meister Claudio Paolantonio, der insgesamt sechs Mitarbeiter beschäftigt, hat die Einstellung von Kai Glenski nicht bereut: „Er hat als Mensch mein Herz erobert. Denn er ist motiviert, fleißig und schnell und er ist eine ehrliche Haut“, lobt er seinen schwerhörigen Karosseriebaugesellen.
Vorbildfunktion des öffentlichen Dienstes
Bei der Stadt arbeiten laut Personalamt derzeit 205 Schwerbehinderte. Das entspricht einer Quote von 6,5 Prozent. „Der öffentliche Dienst hat hier eine Vorbildfunktion, auch wenn unsere Einstellungsquote gesunken ist, aber entscheidend ist nicht die Behinderung, sondern die Qualifikation“, sagt Josef Liepold vom Personalamt mit Blick auf die Kollegen mit Handicap, die zum Beispiel in der Stadtbücherei, im Medienzentrum im Technischen Rathaus oder bei Grün und Wald arbeiten.
Mit 6,7 Prozent liegt die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft, die insgesamt 30 schwerbehinderte Mitarbeiter beschäftigt, ebenso deutlich über dem Soll, wie der Mülheimer Salzgitter-Standort mit 7,4 Prozent, während die Sparkasse mit 4,21 Prozent die Qute noch nicht erfüllt hat.