Mülheim. .
Menschen mit Behinderung haben es bei der Berufswahl oft schwer: Sie stehen nicht nur vor der Frage, welchen Beruf sie sich wünschen – sie müssen auch darauf achten, ob sie die Tätigkeit ausführen können. In Mülheim sind derzeit 265 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet.
Zu viele, findet Katja Hübner von der Agentur für Arbeit in Oberhausen. Dabei sehen die Zahlen für Mülheim verhältnismäßig gut aus: Im Januar waren 3,6 % der Arbeitslosen Schwerbehinderte, in Essen waren es 5,8 %, in Oberhausen sogar 6 %.
Anzahl von gehandicapten Arbeitslosen erschreckend
Der Blick auf die aktuelle Anzahl von gehandicapten Arbeitslosen ist im ersten Moment erschreckend: Im Januar 2010 waren 127 arbeitslos gemeldet. Die große Differenz zu den 265 arbeitslosen Schwerbehinderten im Januar dieses Jahres begründet Hübner mit einem Kommunikationsproblem: Die Sozialagentur habe erst im Februar vergangenen Jahres die Zahl der schwerbehinderten Langzeitarbeitslosen geliefert – diese wurden anschließend mit den arbeitslosen Schwerbehinderten zusammengerechnet, die weniger als ein Jahr ohne Anstellung sind.
Hübner wünscht sich, dass mehr Arbeitgeber die Möglichkeit wahrnehmen, Menschen mit Handicap einzustellen. „Manche Arbeitgeber tun sich schwer. Für Menschen mit Behinderung gilt ein besonderer Kündigungsschutz, sie bekommen fünf Tage mehr Urlaub als ihre nichtbehinderten Kollegen. Für größere Unternehmen ist dies sicher einfacher zu handhaben als für kleine Firmen“, sagt Hübner.
Bezeichnung "schwerbehindert" ist Problem
Ein weiteres Problem sei die Bezeichnung „schwerbehindert“: „Jemand, der eine Hüft-OP hinter sich hat, gilt teilweise als schwerbehindert, obwohl er selbstverständlich seine Arbeit erledigen kann.“
Auf Selbstverständlichkeit setzt auch Alfons Bromkamp von der TAS-Unternehmensgruppe. Im Call Center der Firma wurden in den letzten zwölf Monaten zehn neue Mitarbeiter eingestellt, die körperlich beeinträchtigt sind. In Zusammenarbeit mit der Stiftung My Handicap stellt das Unternehmen verstärkt Menschen mit Behinderung ein. Bromkamp ist besonders der Aspekt der „Inklusion“ wichtig, wie er ihn nennt: „Die Arbeit mit behinderten Kolleginnen und Kollegen soll kein Sonderfall sein, sondern eine Selbstverständlichkeit.“ Bisher habe man bei der TAS Gruppe viele positive Erfahrungen mit behinderten Mitarbeitern gemacht.
Nur körperliche Behinderungen
Allerdings ging es bisher nur um körperliche Behinderungen – Menschen mit psychischen Erkrankungen habe Bromkamp bisher noch nicht eingestellt. Dieses Thema wolle die TAS bald in Angriff nehmen – allerdings ließe sich im Moment nicht sagen, ob beispielsweise ein depressiver Arbeitnehmer ebenso engagiert und effizient arbeiten kann wie ein gesunder Kollege. „Da fehlt uns der Erfahrungswert“, sagt Bromkamp.
Grundsätzlich sind Unternehmen dazu verpflichtet, mindestens 5 % ihrer Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen.
Die Röhrengesellschaft der Mannesmannröhrenwerke beschäftigt in Mülheim 7,5 % Schwerbehinderte – deutschlandweit sind bei dem Unternehmen 6,9 % Schwerbehinderte angestellt. Bei der Firma Siemens arbeiten derzeit 160 Schwerbehinderte im Mülheimer Werk – damit erfüllt das Unternehmen zwar nicht die Quote von 5%, unter den schwerbehinderten Angestellten seien jedoch sogar zwei Auszubildende. „Wenn die entsprechende Qualifikation vorhanden ist, sind Behinderte bei uns jederzeit willkommen“, sagt Georg Lohmann, Pressesprecher des Unternehmens.
Laut Angaben der Stadt Mülheim sind rund 10 % der Einwohner schwerbehindert.