Mülheim. .
Um sich steuerrechtlich besser zu stellen, plant die Stadt rückwirkend zum 1. Januar 2011 ein allumfassendes Gebührensystem für ihre Sportstätten. Vereine sollen schon in diesem Jahr für jede Stunde auf dem Sportplatz oder in der Sporthalle Nutzungsgebühren zahlen.
Die Stadt verspricht gleichzeitig, dass sich trotzdem kein Verein finanziell schlechter stellt. Denn im gleichen Zug soll die Sportförderung erweitert werden. Ein wackliges Konstrukt, für dessen Realisierung die Stadt nicht nur auf das Wohlwollen der Vereine, sondern auch der Bezirksregierung setzen muss.
Zum Hintergrund: Bis Ende vergangenen Jahres hat die Stadt für die Nutzung ihrer 45 Turn- und Sporthallen, 38 Groß- und Kleinspielfelder sowie drei Gymnastikräume keine Nutzerentgelte verlangt; wobei allerdings neun Sportplätze bereits unter die Regie von Vereinen gestellt sind – heißt: Hier kommt die Stadt nicht (mehr) für die Betriebskosten auf.
Betrieb soll aus steuerrechtlichen Gründen über den Sportservice laufen
Dann beschloss der Rat, zur Sanierung des Haushaltes ab diesem Jahr Nutzungsgebühren zu verlangen. In diesem Jahr sollten zusätzliche 40.000 Euro für die Stadtkasse eingenommen werden, im kommenden Jahr 80.000 Euro und ein weiteres Jahr später 120.000 Euro. Dabei galt beziehungsweise gilt: In der Kernzeit, montags bis freitags von 7 bis 20 Uhr, werden laut aktueller Satzung keine Gebühren verlangt.
Dies soll sich nun ändern, weil sich die Stadt steuerrechtliche Vorteile verspricht, wenn sie die Sportanlagen nicht länger im Hoheitsbetrieb, sondern die steuerliche Abwicklung – dem Vorbild anderer Städte folgend – über einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) unter dem Dach des Mülheimer Sportservice laufen lässt. Dafür ist es aber rechtlich erforderlich, eine Gebührenpflicht für alle Nutzergruppen und -zeiten in einer entsprechenden Satzung festzuschreiben.
Die Organisation der gebührenpflichtigen Sportstättenvergabe hat zwar den Nachteil, dass für Nutzungsentgelte fortan 19 % Umsatzsteuer fällig werden. Der Vorteil indes überwiegt laut Stadt: Ein BgA könne einen Vorsteuerabzug für den Erhaltungsaufwand und Investitionen in die Sportstätten geltend machen. Würde man das System umstellen, rechnet die Stadt mit einem Plus von 300 bis 500.000 Euro für die Stadtkasse.
Beschlussvorlagen gehen im November in die Gremien
So will sie mit entsprechenden Beschlussvorlagen im November in die politischen Gremien gehen. Die neue Gebührensatzung soll rückwirkend schon ab Januar 2011 in Kraft gesetzt werden. Mit ihr sollen nicht nur die für die Haushaltskonsolidierung veranschlagten 40 000 Euro eingenommen werden, sondern bereits 115 000 Euro und damit etwa so viel, wie für 2013 vorgesehen war. Die Nutzungsentgelte pro Stunde sollen für Vereine zwar günstiger werden, durch die Ausweitung der Gebührenpflicht auch auf die Zeit von 7 bis 20 Uhr werden diese aber mehr belastet.
„Wir wollen mit der neuen Organisation ganz legal Steuern sparen“, so Sportdezernent Ulrich Ernst. Die Vereine sollen auch keine Belastung spüren. Dafür soll eine Wohltat an anderer Stelle sorgen. Denn zeitgleich schwebt der Sportverwaltung eine Erhöhung der Sportförderung über Jugend- und Übungsleiterbeihilfe vor. Somit, so das Versprechen von Ernst, werde sich kein einziger Verein schlechter als bisher stellen, eher besser. Von einer höheren Sportförderung profitierten etwa auch jene Vereine, die gar keine städtische Sportstätte nutzen. Dies, so heißt es beim Sportservice, beträfe ein Drittel aller Vereine.
Bezirksregierung muss Förderung absegnen
In einer nicht-öffentlichen Informationsveranstaltung am Mittwochabend in der RWE-Sporthalle wollte die Sportverwaltung Vereinsvertreter für die rückwirkende Neuorganisation der Gebührenbewirtschaftung gewinnen. Am 14. November soll als erstes Gremium der Sportausschuss über die Angelegenheit beraten und ein Urteil fällen.
Die Stadt Mülheim ist zumindest für 2011 unter Nothaushaltsrecht gestellt. So darf sie laut Gemeindeordnung die Sportförderung, eine freiwillige Leistung, eigentlich gar nicht ausweiten. Wird die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde also zur Spielverderberin? Dezernent Ernst glaubt die Finanzaufsicht damit zu überzeugen, dass für die Stadt qua Steuervorteil einer BgA unter dem Strich noch Geld für die Haushaltskonsolidierung bleibt. Ein Gespräch mit Düsseldorf werde es frühzeitig geben, so MSS-Leiterin Martina Ellerwald.