Mülheim. .

Die Jugendabteilung des VfB Speldorf konnte sich in letzter Zeit vor Anmeldungen kaum retten. Über 260 Kinder und Jugendliche spielen mittlerweile bei dem Verein an der Saarner Straße Fußball. Besonders bei den jüngeren Kickern ist Speldorf beliebt; drei E-Jugend- und vier F-Jugendmannschaften sprechen eine klare Sprache.

Warum kommen die Nachwuchsspieler gerade nach Speldorf? Seit eineinhalb Jahren steht auf dem Sportplatz an der Saarner Straße ein moderner Kunstrasenplatz. Ein Anziehungspunkt für junge Fußballer. Der VfB ist einer von vier Mülheimer Clubs mit einem solchen Platz. Der SV Raadt, der MSV 07 und der TuS Union 09 sind genauso modern ausgestattet. Die Situation ist dort ähnlich. „Wir haben einen Zuwachs von 10-20 Prozent“, sagt Frank Rundt – Jugendleiter von Union. Rundt sieht in dem Kunstrasenplatz nicht den einzigen Grund für den Mitglieder-Zuwachs in seinem Verein: „Es ist wichtig, Qualität in die Jugendarbeit zu bringen. Deshalb machen unsere Trainer gerade den Kindertrainerschein und im nächsten Jahr die C-Lizenz.“

Top-Teams auf Rasen

Die Lehrgänge dazu finden in Zusammenarbeit mit dem SV Raadt statt – dem größten Gewinner der Kunstrasenplätze. Während Union, Speldorf und der MSV traditionell junge Fußballer anziehen, sah das in Raadt vorher anders aus. Der Verein an der Zeppelinstraße liegt einige Kilometer außerhalb der Innenstadt. Die Straßenbahn fährt von dort 20 Minuten bis zur Anlage. Doch seit 2008 der Kunstrasenplatz fertiggestellt wurde, stiegen die Mitgliederzahlen im Jugendbereich an – etwa 40 Junioren sind neu hinzugekommen. Qualitativ macht sich das deutlicher bemerkbar: Raadt ist mit drei Teams in der Leistungsklasse – einer höherklassigen Jugendliga im Verband Niederrhein – vertreten. Von 14 Mülheimer Leistungsklassen-Teams spielen zehn auf Kunst- oder Naturrasen.

Auf den Ascheplätzen sieht die Welt nicht so rosig aus. Die große Mehrheit der Vereine spielt zurzeit darauf. Drei von ihnen befürchten das Schlimmste. Der TSV Heimaterde, der TuSpo Saarn und Rot-Weiß Mülheim haben Angst vor einem „schleichenden Ausverkauf der Mülheimer Fußballszene“ und sehen die Gefahr, dass die Vereine die nächsten Jahren nicht überleben. Ihrer Meinung nach verantwortlich dafür: die geplante Bezirkssportanlage in Heißen.

Heimaterde und Rot-Weiß fühlen sich in ihrer Existenz bedroht

Der TB Heißen sowie der RSV bekommen an der Hardenbergstraße im Jahr 2015 eine neue Heimat mit zwei großen Kunstrasenplätze. Deshalb kündigten die drei Vereine sogar einen Boykott der Hallenstadtmeisterschaften an. Besonders Heimaterde und Rot-Weiß fühlen sich in ihrer Existenz bedroht. Die Heißener Anlage liegt direkt im Einzugsbereich der Vereine. „Wir merken jetzt schon, dass Jugendliche, die uns verlassen, nach Raadt oder Speldorf wechseln, weil es dort einen Kunstrasenplatz gibt“, sagt Jugendleiter Gerald Borgwardt. Noch sei die Situation nicht so tragisch, noch hat der TSV fast 300 Jugendspieler. „Das wird sich mit der Fertigstellung in Heißen ändern“, meint Borgwardt.

Diese Befürchtung teilt auch Frank Stein, Vorsitzender des TuSpo Saarn. Die Mannschaften seines Vereins – mit 260 Nachwuchsfußballern einer der größten in Mülheim – trainieren ebenfalls auf Asche. 20 Spieler haben in der letzten Wechselperiode den Verein verlassen. „Die meisten in Richtung Kunstrasenplatz“, sagt Stein und erklärt ein altes Argument für den Verbleib bei einem Verein für überholt: die Standortgebundenheit. „Viele Eltern fahren die Kinder heute zum Training. Da sind auch längere Entfernungen kein Problem. Ein Kunstrasenplatz ist die Grundvoraussetzung, um dauerhaft zu existieren.“

MBI: „Zum Wohl von zwei Vereinen muss der Rest leiden“

Während diese Vereine trotz Ascheplätzen in jeder Altersklasse Mannschaften stellen, sieht es beim 1. FC Mülheim deutlich schlechter aus. Mehr als 30 Spieler haben den Traditionsclub in letzter Zeit verlassen – nicht selten in Richtung Union oder Speldorf. Geschäftsführer Detlef Weides: „Es zieht die Jugendlichen ganz klar zu den Vereinen mit Kunstrasenplätzen.“

Die Mülheimer Bürgerinitiativen sehen in dem Bau in Heißen eine Gerechtigkeitslücke im Mülheimer Fußball. „Zum Wohl von zwei Vereinen muss der Rest leiden“, sagt Hans-Georg Hötger, Mitglied für die MBI im Sportausschuss. Als alternative Lösung bringt Hötger eine Fusion der Vereine Turnerbund und RSV ins Gespräch. Dann würde ein Platz an der Hardenbergstraße reichen. „Mit dem Rest des Geldes könnte man weitere Plätze sanieren und Gerechtigkeit schafften“, so Hötger. Die Stadt hat das Grundstück mittlerweile gekauft. Die MBI haben NRW-Innenminister Ralf Jäger aufgefordert, das Bauvorhaben zu stoppen. Dieser habe sich aber nicht zuständig gefühlt, obwohl es um einen Ministererlass für Kommunen im Nothaushalt gehe. Jetzt liegt die Beschwerde auf dem Tisch von Regierungspräsidentin Anne Lütkes.